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Die Todesspirale

Die Todesspirale

Titel: Die Todesspirale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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einem anderen Planeten aussahen. Zwischen ihnen drängten sich grimmig dreinbli-ckende Väter.
    Über das Eis dagegen schwebten, leicht wie die Flöhe, kleine flachbrüstige Mädchen, darunter auch Irina Grigorieva. Es war atemberaubend, wie leichtfüßig die Elfjährige einen dreifachen Toeloop nach dem anderen sprang. Mit ihren Trikots und den zum festen Knoten aufgesteckten Haaren sahen die Mädchen wie geklont aus. Sie unterschieden sich nur in der Art, wie sie sich bewegten, bei einigen war deutlich zu erkennen, dass sie selbst auf Bezirksebene nie um Medaillen kämpfen würden. Neben Irina wirkten alle anderen steif und klobig. Die Kufen zogen scharfe Kerben in das bereits reichlich malträtierte Eis.
    «Denkt an die Knie!», rief eine harte Frauenstimme. «Elastischer, Johanna, beugen, beugen!» Im selben Moment plumpste das Mädchen, das wie auf Holzbeinen lief, aufs Eis und machte ein resigniertes Gesicht.
    Die gesamte Führungstroika stand an der Bande, Rami in enger Hose und Sweatshirt, Elena in Leggings und Trainingsjacke, Ulrika Weissenberg in einem schwarzen, glänzenden Vinylregenmantel. Sie sprach auf Rami ein. Elena dagegen schaute konzentriert aufs Eis, wo die meisten Mädchen nun eine Waagepirouette liefen. Sie glitt zu einer etwa zehnjährigen Läuferin und korrigierte ihre Haltung, dann zeigte sie auf Irina, deren Pirouette zumindest meiner Meinung nach perfekt war.
    «Alle mal herhören! Die Knie. Damit eure Bewegungen weich aussehen, vor allem die Landung nach dem Sprung, müsst ihr in den Knien federn. Elastische Knie sind die Grundlage für einen schönen Lauf, egal auf welchem Niveau. Es reicht nicht, hoch zu springen, wenn ihr danach mit durchgestreckten Beinen aufkommt. Seht euch den Unterschied an: Ein Sprung mit steifem Knie», erklärte Elena und sprang routiniert einen doppelten Toeloop, «und derselbe Sprung mit gebeugtem Knie.»
    Während ich Elena beobachtete, dachte ich an Noora, die vor allem bei den Schleudersprüngen die Knie unglaublich tief gebeugt hatte, sodass die Landung mühelos und sicher wirkte.
    «Vergesst nicht das zusätzliche Beerdigungstraining Samstag früh», rief Ulrika Weissenberg, als die klassische Streichmusik, zu der die Mädchen geübt hatten, verstummte. Gleich darauf ertönte flotte Tanzmusik, und die Eisflöhe begannen in raschem Tempo im Kreis zu laufen. Beerdigungstraining?
    Noora sollte doch nicht etwa auf Schlittschuhen zu Grabe getragen werden? Wer weiß, vielleicht war tatsächlich eine Gedenkfeier im Eisstadion geplant. Sicher überschattete Nooras Tod den gesamten Eislaufverein. Für die Nachwuchsläuferinnen war sie ein Idol gewesen, gleichzeitig aber auch eine von ihnen, und ihr gewaltsamer Tod war ein traumatisches Ereignis. Hoffentlich begriffen Eltern und Trainer, was diese kleinen Eisprinzessinnen empfanden. Wenn ich es recht bedachte, konnte eine gemeinsam organisierte, prunkvolle Beerdigungsfeier sogar befreiend wirken.
    Nun war Rami auf dem Eis, er half einer kleinen Läuferin, die richtige, geschlossene Haltung für die Sprungrotation zu finden. Ich erinnerte mich, wie ich mich in der Vorpubertät gefühlt hatte, wie unangenehm es mir war, von Fremden be-rührt zu werden. Aber Eiskunstläuferinnen waren wohl daran gewöhnt, den Schweiß und den Knoblauchatem eines Partners zu riechen und die kalten Hände des Trainers an der Taille zu spüren.
    Dann begann Rami das abschließende Stretching zu leiten. Die Bewegungen waren verlockend, sie hätten meinem vom Sitzen und Autofahren steifen Rücken gut getan. Doch gerade in dem Moment kam Ulrika Weissenberg auf mich zu.
    Ihre Absätze pochten laut auf den Betonboden. Ihr Blick war durchdringend, und ich stellte mich darauf ein, wieder einmal getadelt zu werden, wer weiß wofür. Ich war perplex, als sie sich stattdessen bedankte.
    «Ich danke Ihnen, dass sie Janne aus den Fängen dieser rüden Verkehrspolizisten befreit haben.»
    Wie sich herausstellte, hatte Janne sie nach seinem Besuch auf dem Präsidium angerufen und um juristischen Rat gebeten. Der Vereinsvorsitz beim ELV Espoo schien wirklich ein Vollzeitjob zu sein, jedenfalls, solange die Vorsitzende Ulrika Weissenberg hieß.
    «Nooras Beerdigung findet am Dienstag nächster Woche statt», fuhr sie fort. «Es wird Hanna gut tun, wenigstens eine Stufe der Trauerarbeit abschließen zu können. Was haben Sie ihr denn über Teräsvuori erzählt? Sie scheint von seiner Schuld jetzt restlos überzeugt zu sein.»
    «Dazu besteht kein

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