Die Toechter der Kaelte
ihnen. Nun ja, er konnte zumindest dankbar sein, daß Gösta viel zu wenig Initiative zeigte, um solche Probleme zu machen wie Ernst.
Patrik nahm den Zettel mit den Angaben von der Anzeige und begab sich zu Göstas Zimmer. Er blieb in der Türöffnung stehen und konnte gerade noch sehen, wie der Kollege rasch eine Partie Patience auf dem Computer wegdrückte. Daß Gösta seine Zeit vergeudete, während Patrik sich den Arsch aufriß, irritierte ihn so sehr, daß er die Zähne zusammenbeißen mußte. Im Moment war er nicht imstande, diese Diskussion mit Gösta zu führen, aber früher oder später …
»Aha, da bist du«, sagte Gösta mißgelaunt, was Patrik überlegen ließ, ob »früher« nicht trotz allem die bessere Alternative wäre.
»Ja, ich hatte mich um eine wichtige Sache zu kümmern«, erwiderte er und bemühte sich, nicht so verdrossen zu klingen, wie er war.
»Ich habe hier auch einiges zu bieten, verstehst du«, sagte Gösta, und Patrik hörte zu seiner Verwunderung einen gewissen Eifer in der Stimme des Kollegen.
»Shoot«, sagte Patrik und begriff an Göstas verblüffter Miene, daß englische Ausdrücke nicht gerade seine starke Seite waren. Golfbegriffe natürlich ausgenommen …
Gösta erzählte von Pedersens Anruf, und Patrik lauschte seinem Bericht mit steigendem Interesse. Er nahm die Faxe entgegen, die Gösta ihm reichte, und setzte sich, um sie durchzusehen.
»Das hier ist zweifellos interessant«, sagte er. »Die Frage ist nur, wie es uns weiterhilft.«
»Ja«, bestätigte Gösta. »Ich habe über dasselbe nachgedacht. Bisher meine ich, es kann uns helfen, jemandem den Mord nachzuweisen, wenn wir die richtige Person erst finden. Bis dahin nützt es uns nicht gerade viel.«
»Und sie konnten nicht genau sagen, ob es sich hier um die sterblichen Überreste von Tieren oder Menschen handelt?«
»Nein«, erwiderte Gösta und schüttelte bedauernd den Kopf. »Aber in ein paar Tagen könnten wir Antwort bekommen.«
Patrik wirkte nachdenklich. »Du, noch mal zu dem, was Pedersen über das Gestein gesagt hat.«
»Es war Granit.«
»Verdammt selten hier in Bohuslän mit anderen Worten«, sagte Patrik ironisch und fuhr sich entmutigt durchs Haar. »Wenn wir nur dahinterkommen würden, welche Rolle die Asche spielt, dann würden wir auch erfahren, wer Sara ermordet hat.«
Gösta nickte.
»Nein, im Moment kommen wir wohl nicht weiter«, sagte Patrik und stand auf. »Aber das waren verdammt interessante Informationen. Geh du jetzt nach Hause, Gösta, dann machen wir morgen mit frischen Kräften weiter.« Es gelang ihm sogar, ein Lächeln aufzusetzen.
Gösta ließ sich nicht lange nötigen. Innerhalb von zwei Minuten hatte er den Computer ausgeschaltet, seine Sachen genommen und war auf dem Weg aus der Tür. Patrik hatte weniger Glück. Es war schon Viertel vor sieben, und er ging zurück zu seinem Schreibtisch und begann das Papier zu studieren, das ihm Annika gegeben hatte. Dann stürzte er ans Telefon.
Manchmal war ihr, als befinde sie sich außerhalb der wirklichen Welt, eingeschlossen in einer kleinen Blase, die ständig schrumpfte. Jetzt war sie so winzig, daß es ihr vorkam, als könne sie deren Wände berühren, wenn sie die Hand ausstreckte.
Maja schlief an ihrer Brust. Erneut hatte sie versucht, das Kind hinzulegen, damit sie ohne sie weiterschlief, und wieder war Maja ein paar Minuten später aufgewacht, lautstark protestierend über die gewaltige Frechheit, ihre kleine Person in ein Kinderbett zu legen. Wo man doch so wunderbar an Mamas Brust schlummerte. Überlegungen, es mit den Ratschlägen des Kindererziehungsbuches zu versuchen, waren bisher Überlegungen geblieben. Also hatte Erica wie üblich resigniert und das Kindergeschrei zum Schweigen gebracht, indem sie sich Maja an die Brust legte und sie dort in aller Ruhe einschlafen ließ. Oft schlummerte die Kleine dort eine Stunde oder auch zwei, vorausgesetzt, daß Erica sich nicht spürbar bewegte oder daß laute Geräusche vom Telefon oder Fernseher sie störten. Deshalb saß Erica jetzt seit einer halben Stunde wie eine Salzsäule im Sessel, das Telefon war ausgestellt, und der Fernseher lief ohne Ton. Das Programmangebot war um diese Tageszeit miserabel, und so sah sie sich eine dumme amerikanische Seifenoper an, von der man offenbar tausend Folgen angekauft hatte. Sie haßte ihr Leben.
Schuldbewußt betrachtete sie den kleinen flaumigen Kopf, der zufrieden an dem Stillkissen lehnte, den Mund halb offen, und hin und
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