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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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ihre Dienste entlohnt hatte – die schwere, warme Münze ruhte sicher in ihrem üppigen Ausschnitt.
     
    Die wässrigen Augen ihres Freiers waren glanzlos und matt, die Wurstfinger ungeschickt und unkoordiniert. Doch der Eindruck der Trägheit täuschte. Sein Gehirn arbeitete trotz des Alkoholschleiers fieberhaft. Er hatte die vergangenen Wochen damit zugebracht zu huren und zu zechen, sich durch die Frauen in dem Freudenhaus, in dem er sich eingemietet hatte, zu arbeiten. Bis er ihrer Dienste so überdrüssig geworden war, dass er beschlossen hatte, sein Jagdrevier zu erweitern. Daher hatten ihn seine Schritte in die Hinterhöfe und engen Gässchen des ältesten Stadtteils von Famagusta geführt, wo er die Taverne aufgetan hatte, in der er sich im Moment so prächtig amüsierte. Wie lange sollte er sich noch in Geduld üben? Wie viel Geld sollte er noch in Jagos gierigen Schlund stopfen? Nichts! Absolut nichts war bis jetzt bei den Bemühungen des Majors herausgekommen. Er hatte genug! Er würde den Mann nicht weiter unterstützen, Desdemona darum bitten, ihm die Juwelen, die er ihr über Jago hatte zukommen lassen, zurückzugeben und sich auf dem nächsten Schiff nach Venedig einschiffen! Mit einer entschlossenen Geste stieß er die Dirne von seinem Schoß, leerte den vollen Weinkelch – wobei er die Hälfte des roten Saftes über sein kostbares Wams goss – und machte Anstalten, die Spelunke zu verlassen.
     
    Als er in die dunkle Gasse vor der Taverne trat, begann es zu nieseln. Leise fluchend zog sich Rodrigo die Kapuze des schweren Umhangs über den Kopf und begann, das enge, gepflasterte Gässchen entlangzustolpern. Gerade als er sich durch einen niedrigen Torbogen ducken wollte, welcher die Gasse mit der breiteren Straße verband, griffen ihn drei Männer mit schweren Holzprügeln aus dem Hinterhalt an. Obwohl er ziemlich betrunken war, reichten seine Reflexe aus, sich gegen die offenbar unerfahrenen Räuber zur Wehr zu setzen. Mit einer nicht ganz koordinierten Bewegung zog er das Schwert und fuchtelte wild um sich. Offenbar verwundete er dabei einen seiner Angreifer so ernsthaft, dass dieser in lautes Geplärre ausbrach, den Knüppel von sich schleuderte und so schnell er konnte davonhumpelte. Entmutigt vom Missgeschick ihres Kameraden, wichen die anderen beiden vor der gefährlichen Klinge zurück. Und als Rodrigo – vom Wein furchtlos gemacht – mit einem Wutschrei auf sie losstürmte, warfen sie die Waffen zu Boden und nahmen die Füße in die Hand.
     
    „Feiglinge!“, brüllte der junge Mann ihnen nach. „Was denkt ihr, mit wem ihr es zu tun habt?!“ Hielt ihn denn jeder für leichte Beute? „Oh Gott“, stöhnte er und vergrub das Gesicht in den Händen, wobei der kalte Stahl der Waffe seine fiebrige Wange kühlte. Wenn er seinen Entschluss doch nur in die Tat umsetzen könnte!, dachte er bitter. Aber er wusste ganz genau, dass er am Morgen ein weiteres Mal die Meinung geändert haben würde. Stets hoffend, dass der neue Tag eine Nachricht von Jago bringen würde, die ihn in die Zitadelle befahl, wo er heimlich mit der liebreizenden Desdemona zusammentreffen konnte. Er war solch ein Narr! Er bemühte sich, den Selbsthass, der in ihm aufstieg, zu verdrängen, rammte das Rapier zurück in die Scheide und setzte den rüde unterbrochenen Heimweg fort – wie von Zauberhand stocknüchtern.

Kapitel 28
     
Zypern, ein Militärpavillon vor den Toren von Famagusta, April 1571
     
    Das Feldlager war errichtet. Mustafa Pascha saß in seinem prächtigen Zelt und nippte heißen, starken Pfefferminztee. Die innerste Schicht der Zeltleinwand war mit rotem Satin überzogen, auf dem Stickereien und Verzierungen prangten. Die äußere Haut – Cengari – war von der Farbe verrosteten Kupfers und stellte die Basis für das Skelett des Zeltes dar. Dicke Taue verbanden die Zugpunkte und verhinderten, dass der Stoff dieser Außenhaut riss. Mustafas Füße ruhten auf einem aufwendig geknüpften Teppich. Er hatte sich auf einem der vielen Kissen niedergelassen, welche sein Leibsklave über den gesamten Boden verteilt hatte. Seine persönliche Habe wurde von einem Vorhang vor den Augen seiner Untergebenen geschützt. Dieser Vorhang wurde zugezogen, wenn der Eingangsbereich des Zeltes geöffnet war.
     
    Obgleich der Beherrscher der Gläubigen in Istanbul zurückgeblieben war, hatte Mustafa den Befehl gegeben, den palastähnlichen Kern des Lagers zu errichten. Falls der wankelmütige Sohn Süleymans des Prächtigen

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