Die Töchter der Lagune
machen.
„Verdammt! Verdammt! Verdammt!“, murmelte er ärgerlich und fuhr mit den Fingern so heftig durch sein schweißverklebtes Haar, dass er einige der drahtigen Locken mit der Wurzel ausriss. Der stechende Schmerz, der seine Kopfhaut durchzuckte, half ihm jedoch, die Gedanken zu sammeln. Lodovico und Gratiano konnte der Inhalt der Depesche nicht bekannt sein. Das Siegel war unversehrt gewesen. Andererseits war die Entscheidung vermutlich im Plenum gefällt worden, was bedeutete, dass sie sich der schicksalhaften Bedeutung der Nachricht bewusst waren. Er stöhnte leise. Mit müden Schritten ging er zum Waschgestell, tauchte den Kopf in die Waschschüssel und trocknete sich dann mit einem der weichen Handtücher ab. Er würde den Befehl einfach ignorieren! Auf keinen Fall würde er zu diesem Zeitpunkt die belagerte Stadt verlassen! Er würde dem Dogen seine Entscheidung später erklären – wenn sie die Türken erfolgreich zurückgeschlagen hatten.
Bevor er den Gedanken, von dem er wusste, dass er reine Selbsttäuschung war, weiter verfolgen konnte, öffnete sich die Tür und Desdemona trat ein. Sie sah müde und erschöpft aus. Er würde sich nie daran gewöhnen, sie in den einfachen Kleidern einer Dienstmagd zu sehen, auch wenn das grobe Leinen ihre Schönheit nicht mindern konnte. Genauso wenig wie das Blut auf ihrer Schürze. Seit sie begonnen hatte, sich zusammen mit ihrer Schwester und einigen weiteren Frauen aus der eingeschlossenen Stadt um die Verwundeten zu kümmern, fühlte er sich ihrer Liebe paradoxerweise sicherer als die Tage und Wochen zuvor. Zuerst war er dagegen gewesen, aber sie hatte darauf bestanden. Mit einer energischen kleinen Falte zwischen den Augenbrauen hatte sie darauf hingewiesen, dass es sie und Angelina um den Verstand brachte, den ganzen Tag tatenlos in der Zitadelle herumzusitzen und sich um ihn und Francesco zu sorgen. Obgleich er sie vor den Schrecken des Krieges bewahren wollte, wusste er doch, wie wichtig es für sie sein musste, gebraucht zu werden.
Sie stellte das kleine Säckchen, das sie unter den Arm geklemmt hatte, ab und seufzte. „Was für ein grässlicher Tag!“ Christoforo warf das Handtuch in einen bereits überquellenden Weidenkorb und nahm sie mit immer noch tropfenden Haaren in die Arme. „Ich weiß“, sagte er ruhig. „Die Verluste waren furchtbar.“ Nachdem sie sich einige Augenblicke an seiner Brust ausgeruht hatte, machte sie sich sanft von ihm los und trat vor den Spiegel. „Ach du liebe Güte“, rief sie aus, als sie sich in der glatten Oberfläche betrachtete. „Ich werde Stunden brauchen, bis ich wieder respektabel aussehe!“ Sie wandte sich zu ihm um. „Heute Abend findet ein Festmahl zu Ehren unserer Gäste statt. Ich habe alles arrangiert.“ Christoforo nickte. Er hatte nicht weniger erwartet. Mit der Behändigkeit der Jugend streifte sie das schmutzige Kleid ab, ließ es zu Boden gleiten und schüttelte splitternackt die verknoteten Locken aus. Die untergehende Sonne, die durch die hohen Fenster in die Kammer fiel, überzog ihren Körper mit einem weichen Goldton. Immer noch unbekleidet griff sie nach der Bürste und versuchte, ihr Haar zu entwirren.
Plötzlich spürte sie Christoforos Atem im Nacken, und Sekunden später hatte er ihr die Bürste gestohlen und drehte sie um, um sie zu küssen. Gegen ihren Willen erwiderte sie den Kuss, aber als er sie aufhob und zum Bett trug, begann sie, sich zu wehren. „Nicht jetzt, Liebster“, protestierte sie lachend. „Ich muss mich fürs Abendessen zurechtmachen. Und ich muss mich wirklich beeilen!“ Er ignorierte ihre Worte, legte sie aufs Bett und begann, sich die Hose aufzuknöpfen. „Nein, Christoforo“, wiederholte sie heftig, setzte sich auf und schwang die Beine aus dem Bett. „Wir dürfen unsere Besucher nicht mit einer Verspätung vor den Kopf stoßen!“ Ihr bleiches Gesicht war ernst. Sie erhob sich und drückte ihm einen versöhnlichen Kuss auf die Handfläche. „Er ist mein Onkel!“ Als sie sein enttäuschtes Gesicht sah, begann sie zu kichern. „Nun komm, Liebster, es wird ja nicht ewig dauern.“ Mit einer leisen Verwünschung verließ der General den Raum, um den Wachen im Hof der Zitadelle noch einige Anweisungen zu geben.
Sie war gerade dabei, die letzte Strähne mit einer Klammer festzustecken, als Christoforo zurückkam, um seinen Mantel zu holen. Der Unterschied zwischen der Frau, die vor kaum einer halben Stunde die Kammer betreten hatte,
Weitere Kostenlose Bücher