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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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eigentlich war. Seit die Sonne im Westen untergegangen war, hatte die gnadenlose Hitze, die den Tag beinahe unerträglich gemacht hatte, ein wenig nachgelassen. Aber nur ein wenig. Immer noch fühlte Rodrigo den Schweiß aus allen Poren treten, und er wischte ihn mit zitternder Hand fort. Fledermäuse jagten sich lautlos die Stadtmauern entlang, und das Zirpen der Grillen war ein paar Herzschläge lang das einzige Geräusch, das die Nachtluft erfüllte. Der aromatische Duft trockenen Grases stach Rodrigo in die Nase. Langsam senkte der junge Offizier, der den Türken angesprochen hatte, die Hände und warf das Schwert zu Boden. Er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch bevor das erste Wort über seine Lippen kam, vernahm Rodrigo ein zischendes Pfeifen. Der Kopf des Soldaten, der die Muskete hielt, wurde nach hinten geschleudert, ehe er Sekunden später auf den verdörrten Boden sackte – die Augen im Schock geweitet, während Blut aus seiner durchbohrten Kehle sprudelte. Gelähmt vor Entsetzen zögerten seine Kameraden einen Moment zu lange. Begleitet von dem ekelerregenden Geräusch schnellender Armbrustbolzen, die sich in Knorpel bohrten, sanken die türkischen Angreifer einer nach dem anderen in die Knie. Alles war so schnell vorüber, dass Rodrigo kaum verstand, was geschehen war.
     
    „Tritt sie aus. Um Himmels willen, tritt sie aus!“, brüllte der junge Mann, welcher der Anführer des kleinen Trupps zu sein schien, als sein Blick auf die immer noch glühende Lunte der Muskete fiel. Diese war gefährlich nahe bei dem Schießpulverfass im trockenen Gras gelandet. „Schnell, bergt sie!“, rief ein anderer Soldat von der Krone des Ravelins und fuchtelte wild in Richtung Mine. Mit fieberhafter Hast gruben die Männer das Fass vollends aus und schleppten es auf eine der Zugbrücken zu. Zeit, sich aus dem Staub zu machen, dachte Rodrigo. Doch seine Neugier fesselte ihn an die heißen Steine, und er verweilte noch ein wenig, um die Operation zu verfolgen.
     
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    Die Flügel des dicken Holztores fielen krachend hinter Francesco und seinen Männern ins Schloss, und der junge Mann atmete erleichtert auf. Das war knapp! Noch immer drohte sein rasendes Herz, ihm den Brustkorb zu sprengen. Was für ein Glück, dass die Schützen auf der Mauer die Situation richtig erfasst hatten! Zuerst hatte er Christoforo Moros Vorschlag, die altmodischen Armbrüste mit nach Zypern zu nehmen, skeptisch gegenübergestanden. Aber in diesem Augenblick war er dankbar, auf seinen Schwager gehört zu haben. Es wäre völlig unmöglich gewesen, solch ein Husarenstück mit einer Muskete zu wagen. Der bloße Gedanke daran, was alles hätte geschehen können, wenn ein Luntenschlossgewehr in der Nähe der Pulverladung abgefeuert worden wäre, ließ ihm das Blut in den Adern gerinnen. Schnaufend und schwitzend rollten sie das schwere Pulverfass auf eines der Magazine zu, die in den dicken Mauern untergebracht waren, als Francesco eine Gestalt auffiel, die betont unauffällig die Treppen zu den Zinnen hinabstieg. Er kniff die Augen zusammen, um in der Dunkelheit besser sehen zu können. Und sobald der Mann den untersten Absatz erreichte und kurz den Kopf wandte, um in ihre Richtung zu blicken, dachte er in ihm den Burschen zu erkennen, der Cassio in der Nacht angegriffen hatte, in der dieser seinen Posten als Oberstleutnant verloren hatte. „Ergreift ihn!“, rief er, und sofort sprangen einige Männer dem Fremden in den Weg und zerrten ihn grob von der Mauer fort. „Bringt mir eine Fackel!“, befahl Francesco.
     
    Als das Licht die weichen Gesichtszüge des Gefangenen erhellte, wusste Francesco mit einem Schlag, um wen es sich handelte. „Rodrigo!“ Er runzelte die Stirn. Er musste sich geirrt haben. Dieser Schürzenjäger hätte es bestimmt nie mit einem geübten Fechter wie Cassio aufgenommen. „Was treibt Ihr hier?“ Der Entdeckte versuchte, sich von den Soldaten loszureißen, aber ihr Griff war unnachgiebig wie Eisen. „Lasst mich los“, forderte er hochmütig. „Ich bin mit der Erlaubnis Eures Majors hier.“ Obgleich Jago nichts von diesem nächtlichen Ausflug wusste, schuldete er Rodrigo mehr als nur einen Gefallen. Und trotz des Schreckens, der ihm in die Glieder gefahren war, wusste Rodrigo, dass Jago seine Schuld begleichen würde. Francesco nickte den Soldaten zu, Rodrigos Arm freizugeben. „Ich werde das überprüfen“, warnte er. „Und jetzt wäre es besser, Ihr würdet in Eure Unterkunft

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