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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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mit lautem Kampfgeheul über Gerümpel und verstümmelte Körper.
     
    Aus voller Kehle brüllend stürzte sich Christoforo Moro auf den ersten Krummschwert schwingenden Feind und enthauptete ihn mit einem sauberen Schwerthieb. Bevor Francesco verstand, was geschah, wurde er die breiten Treppen von den Zinnen hinabgedrängt. Sekunden nachdem er das Getümmel zu ebener Erde erreicht hatte, war er auch schon in einen verbissenen Zweikampf mit einem Soldaten verwickelt, dessen Turban in der Hitze des Gefechtes verloren gegangen war. Sein geschorener Schädel glänzte im erbarmungslosen Licht der Mittagssonne, und der Schweiß, der sein Gesicht hinabrann, hatte ein Muster auf die staubige Haut gemalt. Sein Mund öffnete sich zu einem heiseren Kriegsschrei, als er die breite Klinge hob, um Francesco mit so viel Wut anzugreifen, dass der junge Mann sich zu der hinteren, aus Fässern und Sandsäcken bestehenden, Verteidigungslinie zurückziehen musste. Die ehemals leuchtend orangefarbene Uniform des osmanischen Offiziers war schmutzverklebt – die Ärmel bis zu den blutverkrusteten und verschorften Ellenbogen aufgerissen.
     
    Mit einer blitzschnellen Bewegung duckte Francesco sich unter dem nächsten Hieb hindurch und wirbelte herum, um den Angreifer, der in blinder Wut nach ihm hackte, von hinten anzugreifen. Ehe der Türke seinem leichtfüßigen Gegner folgen konnte, rammte Francesco ihm das Rapier zwischen die Schulterblätter, um es sofort wieder herauszuziehen, noch bevor der Körper des Angreifers auf dem Boden aufschlug. Ein erstickter Wutschrei zu seiner Rechten ließ ihn rechtzeitig zurückspringen, um dem Schlag eines weiteren Angreifers auszuweichen, dessen Klinge ihn nur um Haaresbreite verfehlte. Während Wut und Hass durch seine Adern pumpten, stieß der junge Venezianer einen Fluch aus und hieb auf den muskelbepackten Soldaten ein. Der Mann hatte keine Chance gegen ihn. Nach etwas, das kaum als Schlagabtausch zu bezeichnen war, durchtrennte Francesco die Hauptader im Oberschenkel des Türken, ersparte sich jedoch die Mühe, ihm die Kehle durchzuschneiden, als er auf dem inzwischen blutgetränkten Boden in die Knie brach.
     
    Ein Feind folgte dem anderen in einer scheinbar endlosen Reihenfolge blutrünstiger Gesichter. Das Klirren der Klingen wurde übertönt vom Feuer der Musketen, die Dutzende von türkischen Angreifern fällten, bevor diese sich bis zur Frontlinie durchkämpfen konnten. Francesco wusste nicht, wann er aufgehört hatte zu zählen. Doch als der Tag älter wurde, schienen Geräusche und Farben zu verblassen. Die Kleidung klebte an seinem Körper, und seine Augen brannten vom Schweiß, der ihm den ganzen Tag über in Strömen das Gesicht hinabrann. Der trockene Boden und selbst die Steine stanken nach dem Blut der Verwundeten und Gefallenen. Zahllose wilde, zornige und schreiende Männer stürzten weiter durch den Durchbruch, wobei sie sich gegenseitig die Bewegungsfreiheit nahmen, und einige sogar ihre eigenen Kameraden zu Tode trampelten. Je mehr Männer Francesco erschlug, desto weniger wirklich erschien ihm das Schlachten – beinahe als sei er im Traum eines anderen gefangen. Wenn der Fluss der Feinde durch die geringe Größe des Mauerloches nicht behindert worden wäre, hätten die Verteidiger Famagustas die ersten Stunden des Kampfes nicht überstanden. Die Übermacht war entmutigend, und Francesco fürchtete den Tag, an dem sie den Türken in einer offenen Feldschlacht gegenübertreten müssten.
     
    Als die Sonne sich mit einem feuerroten Schweif zum westlichen Horizont zurückzog, begann die Erschöpfung ihren Tribut von Francesco zu fordern. Ohne es zu bemerken, war er zwei jungen Türken, die er wegen ihres Mangels an Gesichtsbehaarung unterschätzt hatte, in die Falle gegangen. Einer von ihnen hatte Francesco dem anderen geschickt in die Arme getrieben. Und bevor sich der Venezianer versah, musste er sich gegen zwei Feinde zur Wehr setzen, die ihn schwer bedrängten, und ihn zwangen, all seine verbleibenden Kräfte aufzubieten. Wo hatten diese Knaben gelernt zu kämpfen? Innerlich stöhnend verteidigte Francesco verbissen sein Leben, während seine Schulter vor Schmerz schrie und die Umgebung vor Durst und Erschöpfung vor seinen Augen verschwamm. Sein Rapier malte Muster aus blitzendem Licht, als er die heimtückischen Attacken eines der jungen Janitscharen abwehrte. Wo war der andere? Er wollte gerade seinem Gegner – der die Deckung hatte fallen lassen – an die Kehle

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