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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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verschwieg geflissentlich das hässliche Zwischenspiel, als er kurz gefürchtet hatte, der erzürnte Soldat würde Francesco mit dem Kolben seiner Muskete zu Tode prügeln. Er nahm jedoch an, dass die Wunden verheilt sein würden, bis sie ihn wiedersah – falls sie ihn jemals wiedersah.
     
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    „Was zum Teufel …?“ Christoforo Moro schloss so heftig die Hand um Jagos Oberarm, dass der Major nur mit Mühe einen Schmerzensschrei unterdrückte. Sie waren auf dem Rückweg von der Front – hungrig und müde, jedoch sicher, dass der Feind an diesem Tag keinen weiteren Angriff wagen würde. Christoforo war überzeugt davon, dass der osmanische Drache eine Ruhepause benötigte, um seine Wunden zu lecken. Ebenso wie sie selbst. Ihre Vorräte wurden immer knapper. Seit die Türken den Zugang zum offenen Meer blockierten, brachten die Fischer nur noch magere Fänge mit von ihren gefährlichen Ausfahrten in das tiefe Hafenbecken. Deshalb hatte er einem Dutzend einheimischer Burschen befohlen, die Handvoll Pferde und Esel zu schlachten, die den Kriegsgefangenen hatten weichen müssen. Sie waren ohnehin von keinerlei Nutzen für die Eingeschlossenen.
     
    Christoforo war so abrupt stehen geblieben, dass Jago um ein Haar über ihn gestolpert wäre. „Dieser Bastard!“ Jagos Augen folgten dem zitternden Zeigefinger des Generals bis hin zu einer niedrigen Tür in der Mauer, die den kleinen Hof umfriedete, in dem sich der Dottore und die Damen um die Verwundeten kümmerten; und wo Cassio sich soeben über Desdemonas Handrücken beugte, um sich zu verabschieden. „Er ist verletzt“, bemerkte Jago. „Seht Euch sein Hemd an. Es ist förmlich mit Blut getränkt.“ Doch Christoforo schien die Worte nicht zu hören. Seine Rechte war bereits zum Heft seines Schwertes gefahren, das er mit solcher Wut umklammerte, dass die Farbe aus den aufgeschlagenen Knöcheln wich. „General!“, warnte Jago sanft und legte eine Hand auf Christoforos Arm.
     
    „Das ist Beweis genug, Jago, nicht wahr?“ In Christoforos Augen lag ein gefährliches Flackern, als er mit gekräuselten Lippen auf den Major hinabstarrte. „Nein, Signore “, seufzte Jago. „Aber wenn Ihr Beweise wollt, dann muss ich Euch leider sagen, dass ich vor Kurzem die Nacht mit Cassio verbracht habe. Wir haben versucht, im Lager unter der Martinengo Bastion ein paar Stunden Schlaf zu finden, als ich ihn im Traum sprechen hörte.“ Christoforos Lippen bebten, und sein Atem ging schnell und flach. „Was hat er gesagt?“ Die Frage war kaum mehr als ein Hauchen. „Er sagte“, begann Jago, um gleich darauf einige Augenblicke lang innezuhalten, damit sein Lügengespinst noch nervenaufreibender würde, als es ohnehin schon war. „… süße Desdemona, lass uns achtsam sein. Lass uns unsere Liebe verbergen.“ Ohne auf Christoforos Entsetzen einzugehen, fuhr er fort: „Und dann hat er …“ Er brach den Satz ab und wanderte mit der Hand zu seinem Schritt, um Christoforo klarzumachen, was er meinte. „Oh Gott!“, stöhnte dieser und stützte sich schwer auf Jagos Schulter, um nicht zusammenzubrechen. „Aber es war nur ein Traum“, trieb Jago sein schmutziges Spielchen noch ein wenig weiter.
     
    „Aber das bedeutet, dass er sie hatte.“ Christoforos Stimme erstarb, und er schien Jagos Gegenwart einen Moment lang zu vergessen. Dann plötzlich riss er den Degen aus der Scheide und stürmte auf das Krankenlager zu. „Ich werde sie in Stücke reißen!“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Und dann schneide ich ihm den Schwanz ab! Und Hände und Zunge! Alles, mit dem er sie berührt hat!“, wütete er weiter – das Gesicht grotesk verzerrt. „Nein! Wartet, Signore !“ Jago eilte ihm nach und versuchte, den Sturmschritt des großen Mannes aufzuhalten. „Seid vernünftig! Wir haben noch keine Gewissheit. Sie könnte immer noch unschuldig sein!“ Christoforo schüttelte die Hand des Majors ab und schnaubte: „Unschuldig!“ Auf seiner Stirn glänzten dicke Schweißperlen, da die erbarmungslose Sonne immer noch ohne Milderung auf sie hinabbrannte. Kein Lüftchen regte sich, und die Luft war Unheil verkündend ruhig. „Ja, unschuldig“, wiederholte Jago. „Allerdings“, er runzelte die Stirn, „gehört ihr nicht eine Ausgabe der Cinquante Novelle ?“, erkundigte er sich arglos. Christoforo nickte und hob fragend die Brauen. „Nun“, Jago nahm ihn am Arm und führte ihn von der Mauer des Hofes fort, sodass niemand sonst seine

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