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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Konstantinopel, Topkapi Palast, 24. Dezember 1570
     
    Ein weiteres Mal, wie so oft in letzter Zeit, hatte Selim schlecht geschlafen. Der Knabe, mit dem er das Bett geteilt hatte, war hinreißend gewesen – die glatten, unbehaarten Hinterbacken göttlich. Doch nicht einmal die Furcht, die in die Augen des Jungen getreten war, als er ihm befohlen hatte, sich hinzuknien, hatte die schreckliche Leere und Langeweile vertreiben können, die sich seiner bemächtigt hatte. Irgendetwas fehlte, aber er kam nicht dahinter, was es sein könnte. Es hatte ihm größtes Vergnügen bereitet, den Knaben, der erst vor Kurzem aus einer Karawane reisender Händler geraubt worden war, in die Kunst der Liebe einzuführen. Nachdem er sich allerdings mehrere Male in den jungfräulichen Anus des leise schluchzenden Jungen ergossen hatte, begann seine Anwesenheit, Selim zu langweilen, und er hatte ihn in die winzige Zelle zurückgeschickt, die er mit mehreren der anderen jungen Pagen teilte.
     
    Mit einem müden Seufzen erhob er sich von seinem luxuriösen Bett und stolperte auf den mit süßem Weißwein gefüllten Pokal zu, den er vorher auf dem niedrigen Tischchen abgestellt hatte. Sollte er nach einer der Sklavinnen schicken? Vielleicht würde sich seine Laune verbessern, wenn er sie ein wenig fesselte und schlug, doch selbst diese Spielchen verloren langsam ihren Reiz. Er trat an die Arkadenfenster und schaute auf die Höfe hinab. Tief unten, zwischen den unzähligen Gebäuden, traf Mustafa Pascha letzte Vorbereitungen für den Feldzug. Vielleicht sollte er die Soldaten nach Zypern begleiten; vielleicht würde das seine dunklen Gedanken vertreiben. Er kratzte sich am Kopf. Nein, das war zu viel Aufwand! Es würde dort schließlich nicht sehr viel Spannendes für ihn zu tun geben, oder?
     
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    Mustafa Pascha ritt auf einer Welle des Hochgefühls. Nichts war erregender als die Augenblicke vor dem Aufbruch einer Streitmacht. Er brüllte Befehle und war bemüht, sich trotz des Getöses in den zahllosen Höfen Gehör zu verschaffen. Obgleich der Sultan sie nicht auf diesen Feldzug begleiten würde, nahm Mustafa seine 101 Ortas , die Regimente der Janitscharen, mit nach Zypern. Diese umfassten Infanterieeinheiten, aus denen die Haushaltstruppen und Leibwächter des Sultans rekrutiert wurden. Für gewöhnlich wurden sie vom osmanischen Sultan persönlich ins Feld geführt, doch dieses Mal würde Mustafa Pascha ihren Oberbefehlshaber, den Aga , ersetzen. Sie boten einen Ehrfurcht gebietenden Anblick mit ihren eigentümlichen, spitzen Kopfbedeckungen und langen Schnurrbärten. Da es sich bei den meisten von ihnen um christliche Sklaven und Kriegsgefangene handelte, war es ihnen nicht gestattet, wie die freien Muslime Bärte und Turbane zu tragen. Nachdem sie vor über zweihundert Jahren gegründet worden waren, hatten die Einheiten im Laufe der Jahrhunderte an Beliebtheit gewonnen. Und während früher Mütter und Väter in Wehklagen ausgebrochen waren, wenn die Türken ihre Söhne geraubt hatten, so strebten heutzutage viele von ihnen nach der Ehre, ihre Kinder von den Truppen rekrutieren zu lassen.
     
    Für gewöhnlich wurden die Knaben im Alter von sieben Jahren in das Korps aufgenommen. Sie wurden in Acemi-Oğlan- Schulen untergebracht und mussten unter strenger Aufsicht und Disziplin eine harte Ausbildung hinter sich bringen, bis sie schließlich im Alter von vierundzwanzig in den Rang eines vollwertigen Janitscharen erhoben werden konnten. In den Quartieren waren keine Frauen zugelassen. Erst nach Erringen des Rangs eines Cemaat , Bölük oder Sekban – einem Mitglied der Grenztruppen, Haushaltstruppen oder der Leibgarde – wurde ihnen gestattet zu ehelichen. Dann handelte es sich meist um ein Mädchen, das eine ähnlich strenge Ausbildung im Harem des Palastes hinter sich gebracht hatte.
     
    Im Moment war die kühle Morgenluft erfüllt von den eindrucksvollen, schrillen Klängen ihrer Marschmusik, welche Basstrommeln, Hörner, Glocken, Triangel und Becken vereinte. Das Dämmerlicht des frühen Morgens wurde von ihren Krummschwertern zurückgeworfen, und die farbenprächtigen Gewänder der unterschiedlichen Ränge verwirrten das Auge des Betrachters. Himmelblaue Roben, welche die Gewandung der einfachen Fußsoldaten darstellten, wurden von den helleren orangefarbenen und gelben Uniformen der Offiziere unterbrochen. Die meisten der Männer trugen grasgrüne Schärpen sowie rote, orangefarbene oder gelbe Kappen. Diese

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