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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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lieben“, teilte er ihr in makellosem Italienisch mit.
     
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Venedig, Dogenpalast, 24. Dezember 1570
     
    Die hohen Flügeltüren des Sala del Senato flogen mit einem dumpfen Krachen auf. Der riesige Raum wurde vom Licht dutzender Fackeln und Kerzen erleuchtet. Und die erschöpft und zerzaust wirkenden Senatoren, die der Wand entlang Platz genommen hatten, wandten neugierig die Köpfe, als die offensichtlich aufgebrachte Gruppe über das kostbare Parkett auf die Tribüne des Triumvirates zumarschierte. Die Luft war stickig und verbraucht, da die Versammlung die Zeit, welche die Kampfhähne damit verschwendet hatten, sich auf der Straße zu schlagen, damit zugebracht hatte, die drängende Angelegenheit zu diskutieren. Als der Doge den General, nach dem er geschickt hatte, erkannte, erhob er sich von seinem hochlehnigen Sitz und breitete in einer Willkommensgeste die Arme aus. „Christoforo“, rief er aus, augenscheinlich blind für die Spannung, die zwischen den Männern knisterte. „Wir müssen Euch auf der Stelle gegen die osmanische Armee aussenden.“ Sein runzeliges Gesicht war von Sorge und dem Bewusstsein, dass der Republik ein fataler Fehler unterlaufen war, umwölkt. Christoforo Moro verneigte sich respektvoll und warf seinem Schwiegervater einen bedeutungsvollen Blick zu.
     
    Der Doge folgte der Richtung und zollte der Anwesenheit des Senators mit einer überrascht hochgezogenen Braue seine Aufmerksamkeit. „Ich hatte Euch gar nicht bemerkt. Willkommen, Signore , wir haben Euren besonnenen Rat heute Abend vermisst.“ In seiner Stimme schwang ein leiser Vorwurf mit. Brabantios Mund zitterte, als er zu dem Staatsoberhaupt emporblickte. „Ich Euren ebenfalls, Euer Gnaden.“ Er tat einen tiefen Atemzug, bevor er fortfuhr. „Vergebt mir, aber weder meine Pflicht noch die Sorge um mein Land bringen mich vor Euch. Ein weit persönlicherer Schmerz hat mich veranlasst, diesen Rat aufzusuchen.“ Der Doge schien betroffen über diese unverhohlene Pflichtvernachlässigung. „Was ist geschehen?“, erkundigte er sich erstaunt. Als ob die Frage die Schleusentore des Schmerzes gesprengt hätte, vergrub der alte Mann das Gesicht in den Händen und brach in Tränen aus. „Meine Tochter!“, presste er mühsam hervor und rang um Haltung. „Meine Tochter!“ „Ist sie tot?“, flüsterten mehrere Stimmen gleichzeitig, und es dauerte einige zermürbende Augenblicke, bis Brabantio heiser hervorstieß: „Für mich, ja.“ Einige Herzschläge lang war der Saal mucksmäuschenstill, und außer dem schweren Atem des gequälten Vaters war nichts zu hören. Als er schließlich die Fassung wiedergewann, wischte er sich die Augen und teilte der gespannt wartenden Versammlung mit: „Sie ist geschändet. Aus meinem Haus geraubt und von Schwarzer Magie betört!“ Viele der abergläubischen Lagunenbewohner sogen scharf die Luft durch die Zähne, als ihnen die Bedeutung dieser ungeheuerlichen Anschuldigung klar wurde. Der Doge hob gebietend die Hand, um die raunende Menge zum Schweigen zu bringen. „Wer auch immer es sein mag, der Eure Tochter verführt hat, den soll die volle Wucht des strengen Gesetzes treffen – und wenn es mein eigener Sohn wäre.“
     
    Brabantio verneigte sich. „Ich danke Euch demütigst, Euer Gnaden.“ Mit steinernem Gesicht wandte er sich um und wies mit bebendem Finger auf Christoforo, der duldsam zwischen zwei bewaffneten Soldaten ausharrte. „Das ist der Mann! Diese Natter, dieser falsche Dukat.“ Christoforo erwiderte den hasserfüllten Blick gleichgültig und trat einen Schritt vor. „Was habt Ihr zu dieser Anschuldigung zu sagen?“, fragte der Doge streng. „Nichts!“, zischte Brabantio zwischen zusammengebissenen Zähnen. Christoforo Moro ignorierte den Einwurf und wandte sich um, sodass er sowohl das Triumvirat als auch die Längsseite des Saales fixieren konnte. Nach einem kurzen Augenblick des Zögerns hub er an: „ Signori, es stimmt, dass ich diesem Mann die Tochter genommen habe. Es ist wahr, ich habe sie geheiratet, doch das ist sowohl der Anfang als auch das Ende meines Vergehens.“ Er hob die Hände in einer Geste der Machtlosigkeit. „Ich bin ein Mann des Krieges. Aber die Liebe meiner Gemahlin habe ich weder durch Gewalt noch durch Zauberei gewonnen.“
     
    „Sie war immer bescheiden und gehorsam!“, warf der erzürnte Vater ein. „Niemals kühn. Und sie soll sich trotz des Altersunterschieds, der Herkunft und seines zweifelhaften Rufs – in ihn

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