Die Töchter der Lagune
dass die Magd nicht zum Haushalt ihres Vaters gehörte. Ihre schäbige Kleidung war abgetragen, und sie hielt ein ehemals sauberes Bündel umklammert. „Lass mich herein“, flüsterte die Fremde und drängte sich an ihr vorbei. Zu verwirrt, um etwas zu erwidern, starrte die junge Braut dem unverschämten Eindringling nach und beobachtete wortlos, wie er seinen Sack in eine Ecke pfefferte. Mit einem erleichterten Seufzer sank die Frau in einen der kostbaren, samtüberzogenen Sessel und zog den Schal vom Kopf. Als die widerspenstige Flut dunkler Locken auf die Schultern der Besucherin hinunterpurzelte, unterdrückte Desdemona einen überraschten Ausruf.
„Sieh mich nicht so an!“ Angelina grinste breit, offensichtlich amüsiert über den verblüfften Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Schwester. „Ich werde dich begleiten“, verkündete sie. Als Desdemona Einwände erheben wollte, erstickte Angelina den Widerspruch im Keim. „Ich habe mich nach der Senatssitzung mit Francesco unterhalten“, ließ sie Desdemona wissen, die schwer auf das immer noch zerwühlte Bett gesunken war. „Er muss mit dem Regiment, das Christoforo befehligt, nach Zypern. Und ich werde ihn begleiten!“ Ihre Augen hatten einen verträumten Glanz angenommen. „Dieses Mal bin ich sicher, dass er der Richtige ist.“ Desdemona schüttelte den Kopf, nicht bereit zu glauben, was sie gerade gehört hatte. „Ich liebe ihn“, fuhr Angelina nüchtern fort. Sie wies auf ihre Kleider. „Ich werde als deine Zofe reisen – nur für den Fall, dass mich jemand aufhalten will.“ Als Desdemona die Brauen hob und Anstalten machte, ihr ins Wort zu fallen, fuhr ihre Schwester ungerührt fort. „Ich habe dir geholfen, den Mann zu bekommen, den du liebst, jetzt wirst du mir helfen.“
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Venedig, vor dem Dogenpalast, 24. Dezember 1570
„Was soll ich jetzt nur tun, Jago?“ Rodrigos weiches Gesicht war eine Maske der Verzweiflung. „Geht nach Hause ins Bett und schlaft“, gab der Angesprochene geistesabwesend zurück. Das Geplärre des Kerls hinderte ihn daran, einen klaren Gedanken zu fassen. Und das war jetzt dringend nötig, da sein Plan entgegen aller Hoffnung gescheitert war. Denn – wie befürchtet – war Moro zu wichtig für die Republik, um ihn wegen einer privaten Angelegenheit einzukerkern. Und bisher bekleidete immer noch Cassio den Posten des Oberstleutnants. Obgleich Jago den General gewarnt hatte! „Ich werde mich ertränken!“, rief Rodrigo heftig aus, während er den verwaisten Platz vor dem Dogenpalast auf und ab tigerte. Auch wenn Jago ganz und gar nicht komisch zumute war, lächelte er höhnisch bei diesen Worten. „Seid kein Narr! Das ist sie nicht wert! Liebe ist doch nichts weiter als eine Lust des Fleisches.“ Er musste es wissen, hatte er diese Erfahrung doch am eigenen Leib gemacht! Sein Blick folgte dem aufgewühlten jungen Mann, der sich die sorgfältig gelegten Haare raufte. „Füllt Eure Börse mit Gold, verkleidet Euch mit einem falschen Bart und folgt den Soldaten“, schlug Jago schließlich vor – plötzlich froh darüber, dass Rodrigo ihn von weiterem düsteren Brüten abhielt. Der verschmähte Liebhaber blieb abrupt stehen und gaffte seinen Ratgeber mit offenem Mund verdattert an.
„Sie werden ihrer Liebe bald überdrüssig werden“, ermunterte Jago den jungen Mann, der ihm in den vergangenen Monaten als Goldesel gedient hatte. Warum sollte er den Einfaltspinsel nicht mitnehmen? „Sie wird den Fehler, den sie begangen hat, erkennen, und dann wird sie sich nach einer Veränderung sehnen.“ Er verengte die Augen und ließ den Blick auf dem erregten Rodrigo ruhen. „Meint ihr?“, fragte der launenhafte Romeo hoffnungsvoll. Jago nickte. Ganz gewiss, so war es doch immer!, dachte er voller Bitterkeit. „Ich habe Euch doch gesagt, dass ich Moro hasse. Wenn ihr ihm Hörner aufsetzt, tut Ihr mir einen Gefallen!“ Jago musste all seine Selbstbeherrschung aufbringen, um beim Anblick des langsam denkenden Möchtegern-Frauenhelden nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Er hatte nie verstehen können, dass dieser feige Waschlappen für seine Eroberungen berüchtigt war. Wie verzweifelt musste ein Mädchen sein? Er wandte sich ab und schlug den Kragen hoch. Rodrigos Unterhaltungswert war begrenzt, und all das Reden von Liebe machte ihn gallig.
„Geht jetzt nach Hause. Wir sprechen morgen weiter darüber!“ „Wo sollen wir uns treffen?“, wandte Rodrigo sich an Jagos dunkle
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