Die Töchter der Lagune
Kopfbedeckungen hatten eine merkwürdige, konische Form und bedeckten die kahl geschorenen Schädel über den grimmigen Gesichtern, die von den Spuren eines Lebens der Entbehrungen und des Kampfes gezeichnet waren. Wenn alles so lief, wie Mustafa Pascha es plante, würden die Männer schon bald einen weiteren Sieg zu verzeichnen haben.
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Venedig, Dogenpalast, 24. Dezember 1570
Christoforo Moro hatte der Versammlung die Geschichte seines Werbens dargelegt. Die Einladungen des alten Senators, welche dazu geführt hatten, dass seine Braut zu einer eifrigen Zuhörerin geworden war. „Sie fühlte sich wegen der Gefahren, die ich zu überwinden hatte, zu mir hingezogen. Und ich zu ihr wegen ihres Mitgefühls“, schloss er seine Verteidigung ab. Als seine Stimme verklungen war, herrschte einen Augenblick lang Totenstille im Saal. Dann murmelte der Doge , was ein jeder dachte: „Ich glaube, das würde meine Tochter auch für Euch einnehmen.“ Er hatte während des Berichtes die Augen niedergeschlagen, um nicht von anderen Dingen abgelenkt zu werden, doch nun hob er sie und musterte Brabantio forschend mit einem mitfühlenden Lächeln auf den verwelkten Lippen. „Mein lieber Brabantio, ich fürchte, Ihr werdet es tragen müssen wie ein Mann.“ Bevor er allerdings fortfahren konnte, erklang ein dröhnendes Klopfen an der hohen Flügeltür und die Delegation, die ausgesandt worden war, um nach Desdemona zu schicken, betrat den Sala del Senato. Die junge Frau, die trotz all der Aufregung staunend die Augen durch den Raum schweifen ließ, wurde von einem von Christoforos Männern hereingeführt. Sie war in Begleitung ihrer Schwester, und beide Mädchen sanken vor den versammelten Edlen in einen anmutigen Knicks. „ Signori “, grüßten sie.
Die Reihen der in Purpur gekleideten Senatoren zu beiden Seiten des Saales erinnerten Angelina an alte Uhus, die hoch oben in den Wipfeln knorriger Kiefern jeder Bewegung ihrer ahnungslosen Beute mit dem ganzen Kopf folgten. Wobei ihre Augen das Opfer fixierten, ohne auch nur ein einziges Mal zu blinzeln. Brabantio, der die Anwesenheit seiner jüngeren Tochter mit einem strengen Stirnrunzeln registrierte, trat vor und bat mit Nachdruck: „Ich bitte Euch, hört sie an“, flehte er. „Sollte sie eingestehen, dass sie seinem Werben günstig geneigt war, dann soll mich die ewige Verdammnis treffen!“ Der Ausdruck in seinen gebrochenen Augen war so verzweifelt, dass seine Tochter den Blick von ihm losreißen musste, bevor sie mit einem Seufzer begann: „Vater, ich bin im Widerstreit der Pflichten. Euch schulde ich mein Leben und meine Erziehung.“ Sie hob die Hand, um auf Christoforo zu weisen, als Brabantio Anstalten machte, ihr ins Wort zu fallen. „Aber hier ist mein Gemahl. Und ich verlange nichts weiter, als dass ich Christoforo gegenüber ebenso viel Gehorsam bekunden darf, wie meine Mutter, als sie Euch ihrem Vater vorgezogen hat.“ Ihre blauen Augen blitzten kampfeslustig im Schein der Fackeln, und ihre für gewöhnlich bleichen Wangen waren gerötet von der Heftigkeit ihrer Gefühle.
Die Wirkung ihrer Worte hätte heftiger kaum sein können. Vor den Augen des versammelten Senates schien ein Teil ihres Vaters zu sterben. Innerhalb weniger Sekunden – während sein Gehirn die Worte zu verarbeiten suchte – nahm sein Gesicht eine kränklich graue Färbung an und der Lebenswille schien den gebeugten Körper zu fliehen. „Dann sei Gott mit Euch“, flüsterte er heiser. „Ich bin hier fertig.“ An den Dogen gewandt, fügte er bitter hinzu: „Ihr könnt mit den Staatsangelegenheiten fortfahren, Euer Gnaden.“ Er raffte den langen Mantel, den er während der gesamten Anhörung nicht abgelegt hatte, und steuerte auf die Tür zu, nachdem er den drei Führern der Republik mit einem kurzen Nicken seinen Respekt gezollt hatte. Der Doge sprang von seinem erhöhten Sitz auf und eilte ihm nach. Als er den alten Mann erreichte, ergriff er dessen Arm. „Der Beraubte, der trotz allem lächelt, beraubt den Dieb seines Triumphes“, ermutigte er Brabantio. „Er bestiehlt sich selbst, wenn er sich in vergeblichem Schmerz suhlt.“ Der betrogene Vater stieß schnaubend die Luft aus und schüttelte verächtlich den Kopf. „Dann lasst die Osmanen getrost Zypern aus unseren Händen reißen. Solange wir noch lächeln können, erleiden wir keinen Verlust!“ Mit diesen Worten schüttelte er die Hand des Dogen ab und ermahnte: „Die Angelegenheiten der
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