Die Töchter der Lagune
Silhouette, die sich bereits in die Schatten von San Marco zurückzog. „Bei mir“, gab der Major zurück. „Und Rodrigo.“ „Was?“ „Keine Rede mehr von Ertränken, hört Ihr?“ Der junge Mann nickte und wickelte den langen Umhang enger um die Schultern, bevor er in die entgegengesetzte Richtung davonzog. Verborgen in den Schatten des prächtigen Domes sah Jago ihm nach, bis er um eine Ecke verschwand und seufzte. Dieser Narr würde die Geldmittel für das zur Verfügung stellen, was mit jeder Minute weiter Gestalt in seinem Kopf annahm. Wenngleich sein erster Versuch, sich an Moro zu rächen, gescheitert war, hieß das noch lange nicht, dass er aufgeben würde. Schon bald würde Moro den gleichen, alles auslöschenden Schmerz verspüren, der Jago bei Giulias Verrat fast die Brust gesprengt hatte! Und irgendwie würde sich auch eine Gelegenheit finden, diesen Cassio aus dem Weg zu räumen und dessen Posten zu beanspruchen! Jago wich einem Haufen Hundekot aus und knirschte mit den Zähnen. „Die Rache ist mein“, murmelte er und hoffte, dass der Herrgott ihm diese Lästerung vergab. Obwohl dieser für ihn schon vor langer Zeit in weite Ferne gerückt war.
Kapitel 14
Smyrna, an Bord eines osmanischen Schiffes, 25. Dezember 1570
Die rauen Fesseln schnitten schmerzhaft in Elissas Handgelenke. Sie war zusammen mit anderen Sklaven und einem Zug von Trägern, die sich mit schweren Gewürzsäcken und zusammengerollten, fein geknüpften Teppichen abmühten, an Deck des großen Schiffes geführt worden. Nach stundenlangem, lautstarkem Feilschen hatte der Eunuch schließlich eine Handvoll Goldmünzen in die Pranke des gierig vornübergebeugten Korsaren gezählt, und sie war einem Furcht einflößenden Mann übergeben worden, dessen nackter Oberkörper vor Öl geglänzt hatte. Zuerst hatte sie beim Anblick seiner Brust schamhaft die Augen niedergeschlagen. Doch als sie von dem Eisenring losgemacht und in ein mit Holzkisten, Säcken und anderen Waren vollgestopftes Hinterzimmer geführt worden war, hatte sie entsetzt den Blick gehoben. In einer Ecke des Zimmers, hinter einem riesigen Stapel Segeltuch kauerte eine Unzahl völlig verängstigter, verwahrloster Knaben und Mädchen. Ohne jegliches Zeichen von Mitgefühl hatte der Mann seine makellos weißen Zahnreihen entblößt und ihr befohlen, sich zu ihnen zu setzen und auf den Eunuchen zu warten.
Sie stand in einer Reihe mit den anderen Käufen, die alle ebenso wie sie selbst in der außergewöhnlich brennenden Mittagssonne schwitzten. Die weißen Segel der Karavelle flatterten in der warmen Brise, und Elissa war dankbar, dass man sie im Schatten eines der drei Masten postiert hatte. Die Qualität der Ware schien abzunehmen, je weiter achtern die Sklaven standen. Der Lärm, den die durcheinanderbrüllenden Männer veranstalteten, war ohrenbetäubend, aber das farbenprächtige Getümmel faszinierte Elissa entgegen aller Furcht. Etwa zwei Dutzend mehr oder weniger zerlumpter Gefangener waren mit ihr zusammen an Bord getrieben worden, und bei den meisten fiel es ihr auf den ersten Blick schwer, zu entscheiden, ob es sich um Männer oder Frauen handelte. Ein breitschultriger Mann in einem tadellos weißen Kaftan, der eine kurze Peitsche aus Ochsenleder in der Hand hielt, schritt die lange Reihe des menschlichen Handelsgutes ab. Elissa hoffte, sie würde nie die Bekanntschaft dieses Züchtigungsinstrumentes machen müssen. Als er auf ihrer Höhe angelangt war, ließ er die Augen über ihren halb bekleideten Körper wandern und schnalzte mit der Zunge. Züchtig vermied sie seinen Blick und starrte auf ihre nackten Zehen hinab. Sie war sich peinlich des Schweißtropfens bewusst, der ihre Kehle hinunterrann.
Als er sich endlich wieder abwandte und in die andere Richtung davonschritt, hob sie den Kopf und betrachtete ihre Umgebung. Das Schiff schien alt, aber gut gepflegt, und seine Breitseiten waren mit Kanonen gespickt. Auf dem Hauptsegel hatten fleißige Hände ein Wappen eingestickt, das Elissa an eine überdimensionale Sonnenscheibe erinnerte, die über einem Durcheinander von Waffen und Bannern schwebte. Die Mannschaft wirkte diszipliniert und tüchtig, und als schließlich der Befehl zum Ablegen über das Deck scholl, arbeiteten die Männer zusammen wie eine gut aufeinander abgestimmte Einheit. Als die Karavelle sich den Weg durch die Hafenbefestigung gesucht hatte, nahmen die Seemänner ihre Plätze ein und folgten den heiseren Kommandos eines
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