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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Wolken aufgerissen hatte, trieb ihr nur halbbetakeltes Schiff mit außergewöhnlicher Geschwindigkeit auf das Festland vor ihnen zu.
     
    „Das muss Zypern sein!“, rief Angelina aus und zupfte Desdemona am Ärmel. Ihre Schwester beschattete die Augen und blinzelte in die milchige Ferne. „Du hast wahrscheinlich recht“, erwiderte sie. „Aber mach nicht so ein Theater. Die anderen beobachten uns bereits!“ Ihr war ein junger Mann aufgefallen, der ihr entfernt bekannt vorkam, und der während der vergangenen Tage immer wieder um ihre Kabine geschlichen war. Angelina schnaubte verächtlich. „Was macht es denn jetzt noch aus, da wir beinahe am Ziel sind?“ Kaum hatten die Worte ihren Mund verlassen, als Jago und ein weiterer Offizier mit energischen Schritten auf sie zusteuerten. Als sie die Damen erreicht hatten, verneigten sich die Männer respektvoll. „ Signora “, grüßte Jago die Gemahlin seines Generals. Desdemona neigte den Kopf und bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck. Sie mochte Emilias Gatten nicht besonders. Obgleich die pflichtergebene junge Frau des Majors niemals ein schlechtes Wort über ihn verlor, hatte Desdemona Furcht in ihren klaren, blauen Augen gelesen, als sie ihn das letzte Mal erwähnt hatte. Sie vermutete, dass er sie misshandelte, wenn er mit ihr alleine war.
     
    „ Signora “, fuhr Jago fort. „Ich muss eine delikate Angelegenheit mit Euch besprechen.“ Er warf Angelina, die gegen die Versuchung ankämpfen musste, ihm die Zunge herauszustrecken, einen Seitenblick zu. Sie trug immer noch die einfachen Kleider einer Zofe, und das Tuch, das ihre dunklen Locken bedeckte, verbarg ihr schönes Gesicht. „Was gibt es?“ Desdemona, die Schwierigkeiten witterte, lächelte ihn süß an und ergriff wie beiläufig seinen Arm, um ihn zur Reling zu führen. „Nun“, Jago schien das Thema, auf das er die Unterhaltung lenken musste, offensichtlich unangenehm. „Mir wurde mitgeteilt, dass sich eine junge Dame an Bord dieses Schiffes befindet, die ohne die Zustimmung ihres Vaters nicht hier sein sollte“, sagte er schließlich und lehnte sich gegen das hölzerne Geländer. Obschon in seiner Stimme Bedauern mitschwang, lachte er lautlos in sich hinein. Rodrigo hatte das Mädchen, das mit der Gemahlin des Generals reiste, als deren jüngere Schwester erkannt. Und er war sicher, dass weder der General noch ihr Vater oder ihre Mutter etwas von dieser Angelegenheit wussten, geschweige denn, ihre Zustimmung dazu gegeben hatten. Dies bot ihm Gelegenheit, die schöne Desdemona – die ihn öfter, als ihm lieb war, an Giulia erinnerte – in Misskredit zu bringen. Ganz sicher würde Christoforo Moro wütend auf sie sein, weil sie ihre Schwester an Bord eines Kriegsschiffes geschmuggelt hatte! Und was trübte das Glück besser als Wut?
     
    „Oh, tatsächlich?“, fragte Desdemona mit überzeugend vorgeschützter Unschuld. „Ja, ich fürchte, es ist so“, gab Jago zurück, wobei sich sein dünnlippiger Mund zwar zu einem wohlwollenden Lächeln verzog, die dunklen Augen jedoch kalt und gefühllos blieben. Er wandte sich an Angelina, die sich in den Schatten des Hauptsegels zurückgezogen hatte. „ Signorina , erlaubt mir.“ Er lächelte entschuldigend, bevor er die Hand ausstreckte, um ihr den Schal vom Kopf zu ziehen. „Nun, wenn das nicht die liebreizende Signorina Angelina ist“, bemerkte er spöttisch. Er wandte sich erneut Desdemona zu und informierte sie mit einer heuchlerischen Geste der Hilflosigkeit: „Ich fürchte, ich werde Euren Gemahl über diese Angelegenheit in Kenntnis setzen müssen. Es wird seine Entscheidung sein müssen, ob er die Signorina mit dem nächsten Schiff zurück nach Venedig schickt oder nicht.“ Mit diesen Worten nickte er ihr kurz zu, wandte sich ab und gebot dem Offizier, der ihn begleitet hatte, ohne ein Wort, ihm zu folgen, nachdem er seiner Gattin einen kurzen Blick zugeworfen hatte, bevor er hinter der Kabine verschwand.

Kapitel 17
     
Zypern, ein offener Platz in der Nähe des Kais, Januar 1571
     
    Als die Karavelle die felsigen Klippen zur Rechten der Hafeneinfahrt umrundete, stießen die drei Männer, die nervös auf dem niedergetretenen Gras des Hügels auf und ab gelaufen waren, Rufe der erleichterten Überraschung aus. „Sie haben es geschafft!“ Marcantonio Bragadin wagte kaum, seinen Augen zu trauen. Das lädierte Kriegsschiff sah aus, als sei es den Klauen der Meeresungeheuer Skylla und Charybdis nur um Haaresbreite

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