Die Toechter Egalias
verlassen habe, weil sie nichts lieber mochte als das Meer. Sie habe sich deshalb ein größeres Anwesen auf der Westseite der Insel Luksus gekauft und warte jetzt nur noch darauf, einen passenden Mann zu finden, der alles ein bißchen behaglich um sie herum machen könne.
Sue Humle erschien Rudrik wie das Abenteuer persönlich — wie ein Abglanz jener verlockenden Welt, wo Geld keine Rolle spielte, denn wo auf großem Fuße gelebt wurde, ließ sich alles einfach an. Deshalb hatte er Sue gegenüber auch mit keiner Silbe erwähnt, daß er die Pille nicht genommen hatte. Gewöhnlich begannen die jungen Männer einige Zeit vor dem Einführungsball damit, die Pille zu nehmen. Jedenfalls machten das die höheren Söhne der Stadt. Im übrigen waren es fast ausnahmslos eben diese höheren Söhne, die zum Einführungsball gingen, obwohl natürlich alle das Recht dazu hatten. Doch die hohen Eintrittspreise schreckten viele ab. Rudrik hatte aber im Einführungsball seine einzige Chance gesehen. Damit er es sich leisten konnte, den Ball zu besuchen, hatte sein Großvater eine Zeitlang alles Geld zusammenkratzen müssen. Oft war er abends nach den Überstunden beim Putztrupp todmüde nach Hause gekommen.
Rudrik war gespannt. Sue hatte ihm erzählt, ihr sei in all den Ländern, die sie besucht habe, nie ein molligerer und schönerer Bauch als seiner vorgekommen, nie ein kleinerer Schwanz, nie habe sie einen schöneren Orgasmus erlebt. Und sie sei in vielen Ländern gewesen.
Rudrik zählte die Tage und wartete darauf, daß sie wiederkam und ihm die glückliche Nachricht überbrachte, er könne nun bald in ihr Haus auf der Insel Luksus einziehen.
Und Sue ließ auch wirklich von sich hören. An einem Herbstabend klopfte sie an seine Tür. Aber das war nicht die Sue, die er auf dem Einführungsball getroffen hatte. Sie trug ein altes fadenscheiniges Hemd und ein Paar viel zu große Hosen. Doch viel schlimmer war, daß sie nicht mehr mit ihrem interessanten Akzent sprach.
Rudrik war so verdattert, daß er nur dastand und sie anstarrte, ohne auch nur ein einziges Wort herauszubringen.
„Wie wär’s, wennde mich reinläßt, bevor ich mir die Finger abfriern tu!“ Rudrik machte die Tür auf und ließ sie in das einzige Zimmer herein. In der Ecke saß Großvater und häkelte. Er sah über den Rand seiner Brille, lächelte gutmütig und nickte ihr zu. Sue zeigte mit dem Finger auf ihn und wandte sich zu Rudrik: „Muß’n der hier drinne sein?“
„Wir haben doch nur ein Zimmer.“ Der Großvater legte die Handarbeit beiseite und stand mühsam auf. „Ich mache einen Spaziergang. Ich muß sowieso raus und nach der Katze sehen.“ Sie waren allein.
„Du krichst ’n Kind“, zischte Sue. Rudrik glotzte sie verschreckt an. Was er sehnlichst erwartet hatte, war plötzlich eine Katastrophe.
„Ka... kann ich es nicht wegmachen?“
„Tja“, sagte sie und fing an, auf und ab zu gehen, ,,hab’ ich auch schon dran gedacht.“ Sie drehte sich schnell um und sah ihn triumphierend an. „Aber ich glaube, ich will nich!“
„Warum denn nicht?“
„Werd’ ich dir sagen. Hab’ mir alles überlegt und genau ausgetüftelt. Erstens bekomm’ ich acht Monate Urlaub bei vollem Lohn, und zweitens kassier’ ich obendrein noch ’ne Prämie von fünftausend Piepen. Is nämlich mein drittes Kind. Klein-Siwalerius von Nummer sieben is auch meiner, wennde ’s genau wissen willst. Und dann hab’ ich noch eins bei ’nem reichen Knülch, der aufm Plattenberg wohnt und vom Geld seiner Alten lebt. So. Ich glaube, ich werd’ auch dieses Würmchen in de Welt setzen.“
Rudrik konnte das nicht fassen. Er wußte ja, daß es Frauen gab, die davon lebten, Kinder zu gebären. Er hatte sich aber nie vorstellen können, daß ausgerechnet er einer dieser unglücklichen Väter werden würde. Jetzt würde er wohl nie mehr eine Chance haben, eine gutsituierte Frau abzukriegen, und müßte wohl arbeiten und sich den Rest seines Lebens abrackern wie sein Vater, der an Tuberkulose gestorben war, als er — Rudrik — erst neun Jahre alt war. Nie würde er mehr aus den Baracken herauskommen.
„Aber... was ist mit der Handelsgesellschaft in Pax und der Villa auf der Westseite von Luksus?“
Sie lachte kurz auf. „Ha! Na, kapierste denn immer noch nich? War doch alles gesponnen. Ich bin ’ne ganz gewöhnliche Hafenarbeiterin. Entlade und schleppe Kornsäcke, wenn ich mal gerade nicht schwanger bin. Dabei hab’ ich jetzt endlich mitgekricht, daß die
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