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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
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Kekse mit nach Hause. Kristoffer aß die Kekse mit Heißhunger und wurde ein süßer, runder Junge. Er hatte ein niedliches Gesicht und galt als die kleine Schönheit des Viertels, wenn er mit seinem Schulranzen durch die Gegend tanzte.
    Hin und wieder gab es Wolken am Himmel der Freude, denn die Mädchen in der Straße riefen „Prostimännlein“ hinter ihm her oder „Wo ist denn deine Mutter?“ und „Wißt ihr, warum Kristoffer den Namen seines Vaters trägt?“ Er lief dann nach Hause, weinte bitterlich und fragte seinen Vater, warum die so etwas sagten. Und sein Vater tröstete ihn und sprach: „Weil die so dumm sind“, und sein Großvater holte den Spielbaukasten und sie bauten Brücken, Kräne und Türme und Kristoffer lachte wieder. Als er älter war, erzählte ihm Rudrik dann alles. Großvater und Rudrik entdeckten schnell, daß Kristoffer technisch begabt war. In Kristoffers Jugend wurde die Nord-Brücke gebaut. Er konnte stundenlang da unten stehen und Zusehen, wie sie bauten, und lange Gespräche mit den Ingenieurinnen über knifflige Zeichnungen führen, so daß sie ganz verblüfft waren und sich hinter den Ohren kratzten.
    Eine längere als die obligatorische Schulausbildung kam jedoch nicht in Frage. Kristoffer mußte raus und arbeiten, sobald er alt genug war, wie alle anderen im Barackenviertel auch. Die Mädchen gingen in den Hafen, ein Teil auch zur See. Kristoffer bekam eine Stelle in einem riesigen Friseursalon und spezialisierte sich auf Bartfrisuren und Behandlungen gegen Haarausfall. Das machte er auch noch, als er Rut Bram kennenlernte. Sie hatten sich auf einem Einführungsball getroffen. Kristoffer hatte sich das Geld dazu selbst verdient, indem er zu älteren, feineren Herren auf den Plattenberg ging und sie gegen Glatzköpfigkeit behandelte. Das wurde unwahrscheinlich gut bezahlt. „Ja, es gibt wohl viele vornehme Herren auf dem Plattenberg, die Platten haben“, hatte Rut später gesagt. Und Kristoffer hatte verliebt gelacht.
    Rut Bram und Kristoffer hatten sofort Interesse füreinander gezeigt. Rut Bram war jedoch nicht schnell genug. Und bevor sie sich die richtigen Worte zurechtgelegt hatte, war Kristoffer mit einer anderen in einem Einführungszimmer verschwunden. Bram war nie darüber hinweggekommen, denn sie hatte sich in ihrem Stolz verletzt gefühlt und Kristoffers Verhalten wie eine Herausforderung ihrer sexuellen Potenz empfunden. Wenn sie schlechter Laune war, sah sie darin einen Beweis für Kristoffers Leichtsinn. Obwohl Kristoffer ihr dann stets aufs neue versicherte, daß er nur sie begehrte, auch damals schon, war sie doch etwas verbittert, wenn sie daran dachte. Immer wenn sie sich an diese Episode erinnerte und einen Eifersuchtsanfall bekam, pflegte Kristoffer tröstend zu sagen: „Ich hätte dich doch schlecht auffordern können!“
    Nein, das erschien beiden dann doch zu absurd. „Dann hättest du mich vielleicht gar nicht gewollt, und wir wären nie zusammengekommen. Wie gut» daß ich mich damals nicht interessiert zeigte.“ So waren sie sich wieder einig und glücklich.
    Nach dem Einführungsball machte sie ihm ihre Aufwartung. Rut Bram w ar ohne Vorurteile, und es machte ihr nicht das geringste aus, ihren Liebsten im Elendsviertel zu besuchen. Ganz im Gegenteil, sie spürte, daß sie eine seltene Rose in einer rauhen Umgebung gefunden hatte. Sie war völlig überzeugt, daß sie diese Rose umpflanzen und dazu bringen konnte, sich unter ihren Händen wohl zu fühlen und zu gedeihen. Es gab in ihrer Familie bereits Beispiele dafür, daß sich Frauen solche Rosen aus den Niederungen des Volkes hervorgeklaubt hatten. „Die bringen die Gene des alten Bauernadels auf Trab“, sagte ihre Großmutter immer. Sie pflegten beide lange Zeit einen sehr sittsamen Umgang. Kristoffer hatte aus dem Schicksal seines Vaters gelernt und beschlossen, nie ein unpatroniertes Kind zu bekommen. Rut Bram mußte ihm deshalb öffentlich das Vaterschaftspatronat versprechen, bevor sie ihn endlich im Eichenwald auf Luksus nahm und Petronius gezeugt wurde.
    Kristoffer Bram, geb. Listochter, ging mit Liebe und Wärme in seinem Hausmannsdasein auf. Nie wurde er müde, dankbar zu sein, daß ihm ein besseres Los beschieden war als seinem Vater. Doch ab und zu verspürte er einen kleinen Stich, wenn er daran dachte, daß er sich nie seinem Interesse für Mechanik widmen konnte. Er hatte das einige Male seiner Frau gegenüber erwähnt, doch sie hatte nur schief gelächelt und gesagt, er

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