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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
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in der Stadt auf Brief und Siegel festgelegt wurde. Lange war das her, noch im vorigen Jahrhundert. Die Beamtinnen hatten über das Dokument gelacht, es mit prächtigen Stempeln versehen und unterschrieben. Als Gebühr dafür hatten sie zwei Matraken verlangt (die Alt-Mai in vier über das Jahr verteilten Raten abzahlen durfte).
    Jetzt schütteten sich die Beamtinnen vor Lachen fast aus, als die Sture von der Bucht ihnen das Dokument ein halbes Jahrhundert später wiederum unter die Nase hielt. Anfänglich versuchten sie, das Ganze als Bagatellfall abzutun. Doch dann wurde das Schriftstück geprüft, noch einmal geprüft, schließlich sogar von mehreren Gerichten. Die Juristinnen und auch die Beisitzerinnen an den Gerichten hätten das Dokument am liebsten für ungültig erklärt. Aber sie befürchteten, daß, wenn sie einmal die heilige Unantastbarkeit des Privateigentums mißachteten, dies das Rechtsempfinden der Egalitaner untergraben könnte, und so beschlossen sie, das Dokument juristisch zwar für nicht anfechtbar, moralisch jedoch für unverantwortlich zu erklären (die Beisitzerinnen sprachen sich nur für das Moralische aus). Die Fischereigründe gehörten schließlich der Allgemeinheit, weshalb keine bevorzugt behandelt werden dürfe. So könne auf Grund des freien Wettbewerbs die gesamte Bevölkerung ihren Nutzen davon haben.
    Die Sture von der Bucht war so lange in der Lage, die Taucherinnen von ihren Fanggründen fernzuhalten, bis sie spürte, daß es mit der Gesundheit bergab ging, und zudem einsah, daß sie — sogar sie — mit den modern ausgerüsteten Tauchtrupps auf die Dauer nicht konkurrieren konnte. Sie bot deshalb der Nord-GmbH die Rechte zum Verkauf an. Die konnten sich vor Freude natürlich kaum halten, und nachdem ihr eine riesige Summe angeboten worden war, ging sie zur Süd-GmbH und erzählte dort, wie hoch das Angebot ausgefallen sei. Nachdem sie so einige Monate lang zwischen den beiden Gesellschaften hin und her gependelt war, willigte sie endlich ein und verkaufte die Rechte an die Nord-GmbH, teilte die erhaltene Summe auf und investierte die eine Hälfte in die Nord-GmbH und die andere in die Süd-GmbH.
    Die älteste Tochter hieß Kit, war Gros Mutter und sollte die Maibucht erben. Die Sture von der Bucht hatte dafür gesorgt, daß die beiden jüngeren zu Tauchexpertinnen ausgebildet wurden. „Ich habe alles für euch geregelt, soweit es mir in dieser verdrehten Zeit möglich war“, keuchte die Sture von der Bucht auf dem Sterbebett. „Begrabt mich einfach in den Wellen, dort, wo ich hingehöre, eine halbe Seemeile östlich von Spruten, wo die Sonne aufgeht.“ Und dann starb sie.
    Gro war damals erst fünf Jahre alt. Die Schwestern hatten die Hütte verlassen, und Gro mußte mit ihrer Mutter dort eine Weile allein leben. Kit Maitochter wollte sich keinen Mann nehmen. Die Einstellung zu Männern hatte sie von ihrer Mutter geerbt. Die Sture von der Bucht hatte immer gesagt, Männer seien ein Luxus, den sie sich nicht leisten könne, es sei denn sporadisch. Um ihre Töchter hatten sich die Jungen aus der Nachbarschaft so lange gekümmert, bis sie groß genug waren, um mit auf See hinauszufahren. Viele Fischerinnen regelten das Problem in der gleichen Weise, so brauchte sich auch nicht jede einen Mann anzuschaffen. Damals kam auf Luksus ein Mann auf ungefähr vier Frauen. Die modernen Bemühungen, die Männer zu zivilisieren und zu nützlichen Wibschen zu machen, tat die Sture von der Bucht als völlig lächerlich ab. „Männer sind und bleiben Paviane“, pflegte sie zu sagen. „Nie werden sie es lernen, auch nur einen Finger für andere krumm zu machen. Göttin möge mich davor bewahren, auch nur einen von ihnen zähmen zu wollen.“ Bei den Fischerinnen galten Hausmänner als ausgesprochenes Oberschichtphänomen, und so landeten damals die meisten Söhne von Luksus in den Bergwerken von Fallüstrien, sofern sie auf dem Festland kein Vaterschaftspatronat bekommen hatten.
    Gro blickte Petronius an, der sie seinerseits fasziniert mit großen Augen anschaute. Durch Gro tat sich ihm eine Welt auf, die er nicht kannte. Ihm kamen die Erzählungen von den tatkräftigen Frauen wieder in den Sinn. Sie waren gewaltsam und unbeirrt in das Leben der Männer eingedrungen und hatten es für immer verändert. Frauen, die die Männer aus ihrer kleinen, eingeengten Welt herausrissen und ihnen die Weite des Sternenhimmels und des Meeres erschlossen. Er spürte, daß Gro so eine Frau war. Er wollte

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