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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
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etwas Eßbarem verlangt, so daß sie ziemlich rund und dick geworden war. Fast neun Monate lang hatte Kristoffer immer wieder kleine Salate, frische Suppen, Ragouts, Frikassees, erlesenen Gemüseeintopf und leckere Nachspeisen für seine Frau zubereitet. Eines Tages hatte sie Oliven verlangt. Kristoffer war in der ganzen Stadt nach Oliven herumgerannt und bekam überall zu hören, daß jetzt noch nicht die Zeit für Oliven sei. Rut wollte sich aber nicht zufriedengeben, so daß er schließlich einen großen Posten in Pax bestellte. Drei Tage später trafen sie ein. Kristoffer kam mit vier Gläsern zu Rut gerannt, aber da hatte sie sich nur angewidert weggedreht.
    „Glaubst du wirklich, ich habe jetzt auf Oliven Appetit?“ sagte sie verärgert und erklärte ihm geduldig, daß Schwangere Gelüste bekämen, und zwar — das müßte Kristoffer doch wissen — plötzliche Gelüste, und da sei es doch ziemlich naiv, nach drei Tagen angerannt zu kommen und sie befriedigen zu wollen.
    Kurze Zeit darauf verspürte sie ein unbändiges Verlangen nach frischen Paprikaschoten. Und die gleiche Geschichte wiederholte sich. Kristoffer rannte sich monatelang die Hacken ab, um ihre Gelüste zu befriedigen. Auch hatte er sich ein geheimes Lager mit allerlei Köstlichkeiten angelegt in der Hoffnung, Rut eines Tages sofort mit dem zufriedenstellen zu können, wonach sie verlangte.
    Er hatte dabei acht Kilo abgenommen, und Rut beklagte sich schon, wie mager und heruntergekommen er aussehe. „Ja, ja, du kommst in die Jahre, mein Alterchen“, sagte sie. Kristoffer lächelte. Er wußte, daß es riskant war, einer Schwangeren zu widersprechen.
    Früher hieß es, ein Kind könne mißgebildet zur Welt kommen, wenn die Mutter während der Schwangerschaft nicht ihren Willen bekomme. Oder: Wortklauberei des Mannes könne bei dem Ungeborenen beispielsweise zu einer Hasenscharte führen. Oder: Wenn Männer mit ihren schwangeren Frauen schimpften, könnten die Kinder davon schielen. Wahrscheinlich handelte es sich bei alledem nur um altüberlieferten Aberglauben, aber Kristoffer war sich dennoch nicht ganz sicher, ob nicht doch was Wahres dran war. Zweifellos war dies die schwerste Schwangerschaft, die Kristoffer je durchgemacht hatte.
    Sie betraten den großen dreieckigen Raum in der Mitte des Gebäudes. Kristoffer hatte einen der größten Kreißsäle bestellt. Durch das Fenster strömte das Licht auf die Schräge über der Orgel und auf das Bett, auf dem Rut Bram liegen sollte. Die Chormädchen und die Zeremonienmeisterin waren noch nicht im Zimmer.
    Kristoffer hatte in der ersten Reihe Platz genommen, neben ihm saß Ba, denn sie war die älteste Tochter, und dann kam Petronius. Als sich Kristoffer umsah, erkannte er die Figuren in den Ecken des Raumes wieder. Es waren die Figuren des alten Palastes auf dem Plattenberg, wo Petronius und Ba geboren worden waren. In der hintersten Ecke stand eine schöne, große, schwangere Frau, die Beine fest auf den Boden gestützt und die Arme in die Hüften gestemmt. In der gegenüberliegenden Ecke war ein nacktes, aus Leibeskräften schreiendes Neugeborenes dargestellt — ein Mädchen. In der vordersten Ecke stand ein Doppelfigur: ein Mann mit zwei Köpfen, vier Armen und vier Beinen. Sie symbolisierte die zwei zentralen Funktionen des Mannes, nämlich die Kinderzeugung und die Kinderaufzucht. Hinterteil und Rücken der Figur waren miteinander verschmolzen. Die eine Hälfte sah dam im Profil, wie er seinen erigierten Penis der Frau zuwendet, während die andere Hälfte die offenen Arme nach dem Neugeborenen ausstreckt. Dies stellte den Zyklus des Lebens dar: Der Mann gibt und empfängt. Um diesen Zivilisationsrhythmus zu betonen, waren alle Räume dreieckig.
    „Vater“, sagte Ba, „ich glaube, Petronilein bumst mit Gro! In zehn Monaten wird er hier sitzen. Wie du. Ha, ha! Falls sie ihn patronieren will, aber es ist ja noch nicht einmal sicher, ob sie ihn überhaupt haben will, den Spargel...“
    „Sei still, Ba. Dies ist ein feierlicher Ort und ein feierlicher Augenblick für uns alle.“
    „Feierlich? Ich will nie in so einem blöden Raum gebären. Wenn ich gebäre, soll es auf einer Kutsche sein, die von vier weißen Pferden durch die Stadt gezogen wird, mit Fanfaren, Luftballons, Konfetti und jubelnden Leuten
    Die Tür ging auf, und herein schritt die Zeremonienmeisterin mit ihrem weiten, goldeingefaßten roten Mantel. Sie klopfte mit dem Stab dreimal auf den Boden, das Zeichen, daß die

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