Die Toechter Egalias
Gebärwillige kommen sollte. Der Zeremonienmeisterin folgten die Chormädchen in kurzen, roten Kitteln, mit pyramidenförmigen Hüten auf den Köpfen. Vom Nabel abwärts waren sie nackt. Sie stellten sich zwischen Bett und Orgel in drei Reihen auf, so daß das Haar unter ihrem Bauch eine lange Reihe schwarzer Dreiecke bildeten, die sich alle in gleicher Höhe befanden. Schließlich kam Direktorin Bram, von zwei Geburtshelferinnen in einfachen weißen Röcken begleitet. Rut Bram trug den schwarzen Geburtsrock. Die Orgel spielte ein getragenes Präludium, während sie auf das Bett zuschritt und vor dem Chor stehenblieb. Hier warf sie den schwarzen Geburtsrock ab und stand in ihrer mächtigen Nacktheit vor ihnen. In diesem Augenblick intonierte die Orgel die göttliche pränatale Kantate, und Bram legte sich elegant auf das Entbindungsbett.
Sie lag so, daß das Publikum, das jetzt durch die beiden Eingangstüren an der Schwangerschafts- und der Säuglingsskulptur vorbei ins Zimmer strömte, unmittelbar mit verfolgen konnte, wie sie an der Geburt arbeitete.
Am Kopfende des Bettes waren zwei Mikrophone aufgestellt, über die sie in regelmäßigen Abständen der Gemeinde mitteilen konnte, wie die Geburt verlief. Als die pränatale Kantate verklungen war, berichtete sie, daß die ersten einleitenden Wehen sie vor einer halben Stunde erfaßt hätten und durch ihren Körper geströmt seien. Sie habe es fast vergessen, wie köstlich es sei, diese ersten Zuckungen durch den ganzen Körper zu spüren — so lange her sei es seit dem letzten Mal. Wenn nicht der Zwang zum Arbeiten bestünde, müßten die Leute ständig schwanger sein, denn die Geburtswehen seien nun einmal der höchste sinnliche Genuß, den eine Wibsche jemals erleben könne. Wenn der Beischlaf mit einem Mann etwa so sei, als trinke dam ein Glas Wasser, so komme der Geburtsvorgang dem Genuß eines Glases Wein gleich.
Bei diesen Worten klatschte das Publikum, und der Chor begann den großen dreistimmigen Wehengesang. Als der letzte Ton verklungen war, hob Bram die Hand zum Zeichen, daß sie etwas sagen wollte. Sie spüre, daß jeden Augenblick das Wasser abgehen könne, worauf der Chor sofort die glockenreine Fruchtwasserhymne anstimmte. Danach zelebrierte die Zeremonienmeisterin das Geburtsritual, das auf paxisch abgehalten wurde. Die Geburt hatte begonnen.
Das Licht wurde allmählich gedämpfter, fast unmerklich, große Gardinen senkten sich geräuschlos hinab. Es war ganz still. Alle hörten Brams gleichmäßige entspannte Atemzüge. In dieser Phase, wenn der Gebärmuttermund sich sacht öffnet, durfte nur Bram die Stille durchbrechen. Sie hatte sich einige der gängigsten Hits zur Begleitung bestellt. Bei Schlagern könne sie am besten entspannen, hatte sie gesagt. Es folgte also eine Stunde mit Popmusik. Brams Bauch hob und senkte sich ruhig und gleichmäßig. Ab und zu griff sie nach dem Mikrofon und berichtete, daß sie sich in einen himmlischen Zustand versetzt und federleicht fühle. Sie wolle die letzte Phase in aller Stille genießen. Die Popmusik wurde abgestellt. Es war eine halbe Stunde lang mucksmäuschenstill. Alle starrten auf ihren auf und nieder gehenden Bauch. Die Spannung hatte den Höhepunkt erreicht. Bram rief ekstatisch: „Die Zeit des großen Pressens ist gekommen!“ Die Dienerinnen der Zeremonienmeisterin strichen ihr über Hüften und Rücken. Hin und wieder stieß Bram lustvolle Schreie aus. Sie wurde an der Öffnung des Geburtskanals mit exotischen ölen eingerieben. Ihr Atem nahm an Intensität zu und ging in ein gleichmäßiges rhythmisch-wollüstiges Stöhnen über. Die Dienerinnen arbeiteten kräftig. Sie massierten Brams ganzen Körper mit wohlriechenden Cremes und machten sie auf diese Weise warm und geschmeidig — bereit für den letzten Einsatz. Bram ergriff das Mikrofon. Alle hielten den Atem an. „Der Kopf kommt aus dem Gebärmuttermund“, verkündete sie, richtete sich im Geburtsstuhl auf und begann zu pressen. „Stachelbeerkompott!“ brüllte sie. Die Bestellung wurde sofort an die Küche des Gebärpalastes weitergeleitet, und unverzüglich wurde ihr eine Schale mit Stachelbeerkompott serviert. Sie aß und preßte dabei, bis sie vor Anstrengung puterrot im Gesicht wurde. Die Öffnung des Geburtskanals wurde mit warmen Tüchern massiert. Dam konnte förmlich sehen, wie die Wehen durch Brams Körper pulsierten. „Ich merke jetzt, daß sich der Kopf herauszwängt. Sie scheint willensstark zu sein, die Kleine“,
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