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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
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Viertelstunde durchgehalten, und nun klang es, als verebbe der Streit. Es war immer dasselbe. Mutter sagte, Vater sei dumm und faul, und Vater warf ihr vor, sie liebe ihn nicht mehr. Nie hatten sie dieses Problem lösen können.
    Syprian lag da und fragte sich, ob das in anderen Familien auch so war, ob sich in allen Egalsunder Familien Frau und Mann nachts zankten und tagsüber alle Welt verkniffen anlächelten .
    Wenn das zutraf, war es trotz allem vielleicht besser, wie Herrlein Uglemose zu sein, der nur sich hatte. Syprian dachte an Herrlein Uglemose, der dort oben in seinem großen Haus ganz allein wohnte. Und er stellte sich nun schon zum x-ten Male vor, wie schön es wäre, bei ihm sein zu können. Er hatte sich schon so oft vorgenommen, eines Abends zu ihm zu gehen und ihn zu fragen: „Stimmt es, daß du mein richtiger Vater bist?“ Wenn es aber stimmte, wollte er lieber bei ihm bleiben und ihm zuhören, wenn er Klavier spielte und Geschichten erzählte. Leider hatte Syprian nie bei ihm Unterricht gehabt. Wieder tönte es aus dem Zimmer der Eltern:
    „Dummkopf! Faulpelz! Tranfritze!“
    „Gerd! Du hast mich nie geliebt!“
    Syprian drehte sich auf die andere Seite und zog die Decke über die Ohren. Nie wollte er sich ein Vaterschaftspatronat suchen. Nein, niemals. So ein Schicksal kam ihm schlimmer als der Tod vor.

    Herrlein Uglemose saß am Flügel und sah in die Nacht hinaus. Vor der großen schwarzen Fläche fiel der Schnee langsam und sacht zur Erde. Von hier aus konnte er die ganze Stadt und die Meeresbucht überblicken. Die Stadt mit ihren Lichtern und der Luksusbrücke. Es war ein so friedliches Bild, wenn Schnee fiel. Alles lag in sanftem Schlummer, und der Schnee legte sich weich über alle bösen Gedanken. Herrlein Uglemose kam der Gedanke, ein Gedicht auf die Schneeflocken zu machen. „Ode an den Schnee“ wollte er es nennen und es auch vertonen. Er konnte sich nur nicht entscheiden, was zuerst kommen sollten — die Melodie oder der Text.
    Wahrscheinlich beides zugleich, dachte er. Das Thema ist gegeben: der Schnee, der sich über das Böse senkt. Nun galt es, einige Töne zu finden, die dem Thema gerecht wurden. Das könnte in E-Dur gehen, denn da gab es so viele schöne Übergänge. Das Böse müßte dann in cis-Moll stehen, und die Beharrlichkeit des Bösen ließe sich gut in Septimen ausdrücken. Seine eigene Beharrlichkeit, die ihn hier in seinem Haus sich seine eigenen Gedanken machen ließ, über die Stadt und über die Leute, die in ihr wohnten. Und keine auf der Welt konnte ihn daran hindern. Sein ganzes Leben lang hatte Herrlein Uglemose sich eigene Gedanken gemacht, eigene Gedanken, die er in Töne gefaßt und gespielt hatte — in seinem großen, einsamen Haus auf dem Plattenberg.

TEIL II

Die Villa auf dem Plattenberg

    Die Tür flog mit einem Knall auf, und hereinmarschiert kam Herrlein Uglemose, das üppige rote Haar völlig zerzaust.
    „Das ist also mein Einstieg in die Maskulinistenbewegung“, gab er lächelnd bekannt und begrüßte alle mit Handschlag. „Entschuldigt, daß ich so spät dran bin. Guten Tag, Petronius, guten Tag, Syprian, guten Tag, Baldrian, und guten Tag, mein kleiner Fandango! Ihr werdet euch gewundert haben, warum ich euch zum Apfelkuchen eingeladen habe. Der Grund ist ganz einfach der, daß ich einen riesigen Garten mit Apfelbäumen besitze. Das ist aber natürlich nicht der einzige Grund...“
    Er schwieg und blickte in die Runde. Schon lange hatte er im stillen daran gedacht, die Mitglieder der Männerbewegung zu sich einzuladen. Völlig klar war ihm das Ganze zwar nicht, und er wußte auch nicht richtig, wer zur neuen Männerbewegung gehörte. Als er aber erfahren hatte, daß sein ehemaliger Lieblingsschüler, der kleine, mollige Fandango, dabeiwar, dünkte es ihn sogleich leichter und einfacher, mit ihnen Kontakt aufzunehmen.
    Die jungen Maskulinisten waren skeptisch. Ältere Männer waren so dogmatisch. Und besonders das Herrlein Uglemose. War er nicht gerade ein typisches Beispiel dafür, wie Männer nur die Frauenmoral Wiedergaben? Hatte er ihnen nicht stundenlang Frauenkultur, Frauengeschichte und Frauenanschauungen beigebracht? Er hatte doch überhaupt kein Bewußtsein.
    „Ihr glaubt wohl sicher, ich bin eine bewußtseinslose, heruntergekommene Mannsperson. Doch hier oben auf dem Plattenberg mache ich mir so meine eigenen Gedanken. Eigentlich möchte ich gern von euch wissen... Könnt ihr denn euer Treffen nicht so machen wie immer? Ich

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