Die Toechter Egalias
möchte gern ein bißchen mehr wissen, damit ich meine eigene Stellung besser einschätzen kann.“
Sie setzten sich an den großen runden Tisch, der mitten im Zimmer stand.
„Wie wär’s mit einer Johanna Walker?“ Herrlein Uglemose schwenkte Flasche und Gläser. Er war ein wenig nervös.
„Sagt mal“, fuhr er fort und setzte sich auf die Stuhlkante, „worüber würdet ihr reden, wenn ich nicht dabeiwäre?“
„Wir würden über die Situation in der Maibucht reden“, antwortete Fandango.
„Könnt ihr jetzt nicht darüber sprechen? Ich meine — ist das geheim? Sollen wir über etwas anderes reden?“
Alle sahen Petronius an. Der schüttelte den Kopf.
„Gro hat gesagt, wir sollten festere Formen haben.“
„Typisch Frauenchauvinistin!“
„Ich finde nicht, daß sie Frauenchauvinistin ist. Was hat sie uns nicht alles beigebracht! Sie hat uns gezeigt, wie wir schreinern und fischen müssen. Sie hat uns sogar beigebracht, Speerbeißer zu fangen.“
Herrlein Uglemose schlug die Hände zusammen. „Hat sie das wirklich? Ich habe schon immer davon geträumt, einmal bei einer Speerbeißerfahrt dabeizusein!“
„Ja, wir auch, bis wir die blutigen Fangmethoden gesehen haben.“
„Aber die Männer in Egalsund verlangen doch, daß der Speerbeißer gefangen wird.“
„Hausmänner entscheiden das doch nicht. Die Frauen verdienen an der Fischerei, und die entscheiden das. Würden sie nichts daran verdienen, wäre damit morgen Schluß.“
„Aber das wollten wir doch gar nicht besprechen. Was meint Gro mit ‚festeren Formen’? Sollen wir einen Führer wählen?“
„Haben wir doch längst.“ Petronius wurde rot.
„Bist du der Führer, Petronius? Das hatte ich mir schon gedacht. Du warst ja schon in der Schule immer so aufgeweckt“, sagte Herrlein Uglemose.
„Nein, Baldrian meint Gro.“
„Ich finde, wir sollten aufhören, gegen Gro zu hetzen. Sie kann doch nichts dafür, daß sie eine Frau ist. Sie bringt es eben, so gut sie kann. Durften wir nicht fast ein Jahr lang bei ihr ein und aus gehen? Sie hat sich auch nicht bei unseren Treffs eingemischt.“
„Richtig. Ich bin davon überzeugt, daß es ohne sie überhaupt keine Männerbewegung geben würde.“
„Das stimmt. Wir haben ihr viel zu verdanken.“
Sie schwiegen. Das Herrlein schenkte noch ein bißchen nach und stieß mit ihnen an. Sie fühlten sich ziemlich unbehaglich. Es gab so viele heikle Dinge, an die sie sich nicht heranwagten. Petronius hatte zum Beispiel eine Sonderstellung, weil er mit Gro befreundet war. Aber hatte sie nicht schließlich auch mit anderen geflirtet?
„Petronius.“ Baldrian nahm seine Hand. „Wie sollen denn eure ‚festeren Formen’ aussehen?“
„Gro will, daß wir in der Männerbewegung Studienzirkel organisieren und Matraxias Werke lesen.“
Fandango schlug mit der Faust auf den Tisch. Das hatte er gerade gelernt, denn er war es leid, immer nur männliche Bescheidenheit hervorkehren zu müssen. „Frauen brauchen immer alle möglichen Denkkonstruktionen, um etwas machen zu können. Genau dieselbe Diskussion hatten wir mit Wolfram, ehe er die Bewegung verließ. Nur er hatte alles von Ann Krokasen. Ich habe Matraxias Werke gelesen. Aber die handeln nicht von Männern. Sie könnte schon gut sein, wenn nur die Männer nicht existierten. Aber wir sind nun einmal da.“
Herrlein Uglemose hob den Zeigefinger und legte den Kopf ein wenig zurück, wie er es immer tat, wenn er am Katheder stand. „Darf ich hier mal einhaken?“ Sie nickten. Sie fühlten sich müde. Johanna Walker zu trinken, hatte eine angenehme Wirkung auf sie, und die Aussicht von hier war wirklich sehr schön. Aber im Grunde spürten sie, daß ihre Anwesenheit hier wohl auf einem Mißverständnis beruhte.
„Es gibt viele alte Bücher über Männer“, sagte Herrlein Uglemose, „Bücher, die, wenn ich so sagen darf, in Vergessenheit geraten sind. Vor allem möchte ich euch ein Buch empfehlen: Der Untergang des Patriarchats, dessen Autor unter dem Pseudonym P. schreibt. Es ist vor rund fünfzig Jahren in Pax erschienen, aber ich glaube kaum, daß es übersetzt worden ist...“
„Wovon handelt es?“
„Oh,... es handelt davon, daß damals Gesellschaftsformen existierten, in denen die Männer mehr zu sagen hatten als die Frauen.“
„Wie kann dam sicher sein, daß es solche Gesellschaftsformen gegeben hat?“
„Durch Ausgrabungen und Forschungsergebnisse.“
„Ja, nicht einfach nur durch Ausgrabungen und Forschungsergebnisse,
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