Die Toechter Egalias
Sie mußten doch einsehen, daß sie eine schwache Stellung hatten. Aber gerade weil sie schwach waren, konnten sie die vorhandenen Ressourcen nicht ausnutzen.“
„Aber warum nutzten sie nicht wenigstens ihre physische Stärke aus, über die sie damals verfügten, um die Frauen in Schach zu halten?“ Herrlein Uglemose schüttelte den Kopf. „Sie waren nicht besonders stark. Die Methoden, die die Frauen anwandten, um die Männer zu zähmen, waren hart und brutal. Es gab im Verlauf der Geschichte Zeiten, wo Frauen nur jedes zehnte männliche Kind länger als drei Jahre behielten. Die Frauen durften sie überall ungestraft züchtigen. Denkt doch nur an die PS. Erst nachdem sich der Bedarf an männlichen Arbeitskräften geltend gemacht hatte, nahm die Praxis der organisierten Männermorde ab. Statt dessen kamen sie unter die Knute. Wir wissen so wenig darüber. Über besonders entwickelte Körperkräfte ist uns nichts bekannt. Sie wurden systematisch zerbrochen, zudem waren sie überall verstreut, und dam hielt sie voneinander fern.“
„Aber warum nutzten die Männer die Fruchtbarkeit der Frau nicht gegen sie aus und ließen sie die Kinder selber versorgen, nachdem sie die Kinder geboren und gestillt hatte? Hätten sie nicht ebensogut die Frauen in einem Sklavenverhältnis an sich binden und Rechenschaft darüber verlangen können, wer ihre Kinder waren? Warum hatten sie nicht von der Erde Besitz ergriffen und das Erbe über sich laufen lassen?“
„Nein, das ging nicht, denn so hätten sie ja Zugang zur Erde gehabt. Und wie hätten sie sie den Frauen entreißen können? Dann hätten die Männer die Macht gehabt. Sie hätten Geld und Werte besessen. Aber sie hatten ja nichts. Und sie konnten auch nicht einfach verschwinden und für sich selbst leben, auch wenn sie die Macht gehabt hätten, da sie ihren Lebensunterhalt nicht zu bestreiten vermochten, und so wären sie einfach ausgestorben...“
Sie dachten an ihre eigene Hilflosigkeit und Verzagtheit, als Kornmarken verschwunden war . Jetzt, da sie dagegen aufbegehrten und den Boden selber zu bestellen versuchten, auch wenn es nicht viel war, kam ihnen der Gedanke, weshalb Männer sich nicht schon früher dazu aufgerafft hatten. Warum hatten sie sich immer mit ihrem Schicksal abgefunden?
„Das völlig Unbegreifliche, ja beinahe Mystische lag offenbar darin, daß Männer sich stets mit irgend etwas abzufinden schienen. Sie fanden sich damit ab, daß die Frauen ihnen einen untergeordneten Platz zuwiesen. Sie müssen den Frauen schlicht geglaubt haben, als diese ihnen versicherten, es sei ein Teil der natürlichen Ordnung. Die Männer hätten doch ebensogut erwidern können, es entspreche der natürlichen Ordnung, daß die Frau die Kinder versorgte und der Mann hinauszog und bestimmte. Nichts, aber auch nichts stand mit der sogenannten natürlichen Ordnung in Einklang. Alles war eine reine Erfindung der Wibschen. Es handelte sich um systematisierte Einfälle, die nur eines zum Ziel hatten: die eine Art Wibschen niederzuhalten, damit die andere Art Wibschen schmarotzen und es sich wohl sein lassen konnte.“
„Ihr seht das nicht ganz richtig“, sagte Herrlein Uglemose. „Es stimmt nämlich nicht ganz, daß sich Männer stets und ständig mit allem abgefunden haben. Und es ist auch nicht ganz richtig, daß die Dinge immer so liefen, wie ich es euch beschrieben habe. Männer haben sich unzählige Male — und auf die unterschiedlichste Weise — dagegen aufgelehnt, und es gab auch Gesellschaftsformen, in denen die Männer an der Macht waren. Das Problem ist nur, daß wir so gut wie nichts von diesen Aufständen und Patriarchaten erfahren, weil wir eben in einem Matriarchat leben. Die Historikerinnen erwähnen nichts darüber. Die Historikerinnen sind Frauen. Die Anthropologinnen schreiben nichts darüber. Die Anthropologinnen sind ebenfalls Frauen. Damm erfahren wir nichts.
Der Geschlechtszugehörigkeit kam eine noch größere Bedeutung zu als der Klassenzugehörigkeit. Faktisch erfahren, wir durchgehend mehr über die Unterschicht als über Männer. Die Unterschicht, von der uns etwas mitgeteilt wird, besteht im großen und ganzen aus Frauen, die der Unterschicht angehören. Wir hören — besonders von matraxistischer Seite — eine Menge darüber, daß diejenigen, die die Geschichte beschreiben, sie lediglich aus der Sicht der Oberschicht darstellen, weil sie eben der Oberschicht entstammen. Dagegen gilt es als unerhört und empörend, wenn dam behauptet,
Weitere Kostenlose Bücher