Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
Vom Netzwerk:
dachte daran, wieviel er ihr in der Tat verdankte. Paradoxerweise war es geradezu einer Frau zu verdanken, daß es überhaupt eine Männerbewegung gab. Sollte Gro da nicht ein wenig Einfluß auf die Entwicklung nehmen dürfen? Sollte so der Dank aussehen, den er ihr schuldete?
    „Der Klassenunterschied ist der Fluch, der auf der Gesellschaft lastet, Petronius. Das weißt du genausogut wie ich. Haben wir das nicht in all den Jahren zu spüren bekommen, du genauso wie ich? Daß deine Mutter unser Verhältnis mißbilligte, weil ich nicht gut genug für dich war? Für sie waren die Fischerinnen stets das allerniedrigste und erbärmlichste Volk auf Göttins Erdboden. Und wenn so ein Exemplar dieser niedrigen und primitiven Kaste daherkommt und um die Hand ihres Sohnes anhält — ja, da erwacht eben der Klasseninstinkt. Da weiß sie plötzlich, wer sie ist: Rut Bram — Tochter von Großbäuerinnen. Da hört’s auf mit ihren Theorien von unserer egalitären Gesellschaft. Was hat dich zu dem gemacht, der du bist, und mich zu der, die ich bin, Petronius? Du bist heute ein selbstbewußter junger Mann mit einer Zukunft — bist du das nicht nur wegen deiner Klassenzugehörigkeit? Und ich? Warum komme ich nie vorwärts? Weil ich von meiner Hände Arbeit leben muß. Immer und ewig. Ich kann mich nie hochrappeln, weil ich nie genügend Kapital bekomme. Von dem hier kann ja keine fett werden. Aber ich habe damit etwas vor, Petronius. Eine Idee. Und ich habe geglaubt, daß wir beide, du und ich, gemeinsam dahinterstehen. Es sollte ein politisches Kraftzentrum werden, gewissermaßen auf Selbstversorgerbasis, derart, daß ich das Land bestelle und ihr unter meiner Anleitung fischt. Das war meine glorreiche Idee, die ich gemeinsam mit dir verwirklichen wollte. Denn ich liebe dich. Ich liebe dich nämlich noch immer. Und nun behauptest du, du willst dich in einer ganz anderen Richtung schulen und Matraxias Lehren zugunsten irgendwelcher Bücher verwerfen, von denen dam noch nie etwas gehört hat. Und wahrscheinlich steckt dahinter der Gedanke, daß es so weitergehen wird. Ihr werdet massenhaft Material finden über Themen, von denen dam ebenfalls noch nie etwas gehört hat und die von Männern verfaßt wurden, die bisher gänzlich unbekannt waren. Was zur Luzia wollt ihr damit? Doch nicht der Geschlechtsunterschied zwischen dir und mir hat dazu geführt, daß ich die bin, die ich bin, und du der, der du bist. Geld, Petronius, Kapital. Unter- und Oberschicht, soziale Unterschiede, Ausbildung — all das hängt doch zusammen.“
    Petronius blickte Gro an und versuchte ganz bewußt, ihren Blick genauso streng zu erwidern. Er wußte, daß sie recht hatte, und wußte zugleich, daß sie nicht recht hatte. Auch wußte er, daß er nicht wußte, wie er ihr erklären sollte, daß sie seiner Meinung nach nicht recht hatte. Doch...
    „Ihr redet fortwährend nur über den Kampf der Geschlechter und über die Gegensätze zwischen den Geschlechtern... Bald glaube ich, ihr seid fallüstrisch, alle zusammen.“
    Petronius schreckte aus seinen Gedanken hoch. Das Wort hatte er nur selten gehört. Gelegentlich war Herrlein Uglemose von den Mädchen so genannt worden.
    „Das stimmt nicht! Du weißt, wie verliebt ich in dich war.“
    „War? Hast du ,war‘ gesagt?“
    „Wie kannst du damit rechnen, daß ich dich auch künftig liebe, wenn du stets deine Ideen durchsetzen willst und für das, was ich als wichtig empfinde, nur Verachtung übrig hast?“ Petronius kämpfte mit den Tränen und verbarg das Gesicht in den Händen.
    „Nun weine doch nicht schon wieder. Wollen wir rausfahren?“ lenkte Gro ein. Er spürte ihre Hand auf seinem Nacken. Er nickte.
    Es war ein ruhiger, schöner Abend, kalt und klar. Gro holte die Sachen aus dem Schuppen. Sie zogen sich warm an und gingen zum Steg. Gro sprang ins Boot, Petronius setzte sich auf den Stegrand und wartete. Er sah ihr zu, wie sie alles fertigmachte und dabei mit dem Kopf halb in der Motorluke verschwand. Er wußte, was zu tun war, doch wenn sie dabei war, machte sie sowieso immer alles allein. Wollte er ihr zur Hand gehen, so gebe es tausend Kleinigkeiten, sagte Gro, bei denen er sich ungeschickt anstelle. Und immer fand sie, daß er so langsam war. Es stimmte, bei ihr ging alles viel flotter. Er sah ihr beim Hantieren zu. Er wurde nicht müde, ihre effektiven Bewegungen zu bewundern.
    Die Wasseroberfläche glich einem schwarzen Spiegel, ein Stückchen weiter draußen schimmerte es gelblichrot. In

Weitere Kostenlose Bücher