Die Toechter Egalias
Petronius stieg wieder jenes wundersame, schicksalhafte Gefühl hoch, das er oft verspürte, wenn er mit Gro zusammen war. Im Grunde gehörten sie zusammen. Eigentlich warteten sie nur darauf, daß sie zusammen sein durften, unentrinnbar. Kein Weg führte daran vorbei. Ihm schien dies ein schöner Gedanke, daß inmitten all des Unbeständigen in dieser Welt eines feststand: Sie sollten zusammenbleiben. Dann tauchte für eine Sekunde Baldrians Gesicht in seiner Vorstellung auf.
„Fertig!“ rief Gro und streckte die Hand nach ihm aus. Petronius ergriff sie, sprang mit einem Satz aufs Boot und rutschte beinahe auf dem Deck aus. Es war nicht leicht, die Balance zu halten, wenn sie seine Hand umspannte. „Hoppla!“ sagte Gro. Er setzte sich auf die Spitze des Bootes, und sie legten ab. Gro stand hinten und steuerte. Petronius sah hinab auf die Wasserfläche. Der Bug zerschnitt das schwarze Wasser in weichen Falten.
„He, Gro!“, rief Petronius. „Hier gibt’s Fische!“ Er griff nach dem Kescher.
„Du kannst den doch nicht mit einem Kescher fangen!“
„Warum denn nicht? Der schwimmt dicht unter der Oberfläche.“ Er drehte sich zu ihr um und maulte. „Stimmt das vielleicht nicht mit den marxistischen Prinzipien überein?“
„Keine Spitzen, wenn ich bitten darf!“ konterte Gro.
Petronius schwenkte den Kescher und hatte im Nu einen kräftig zappelnden Schwarzfisch erwischt. Der Fisch hieß so, weil er einen dunklen Rücken hatte. Petronius strahlte über das ganze Gesicht.
„Das ist ja ein Ding!“
„Toll, nicht?“
„Hmmm... wollen mal sehen. Übernimm du mal das Steuer.“
„Ich will ihn aber erst totmachen.“
„Laß mich das machen. Dir glitscht er sonst nur aus der Hand und ist wieder im Wasser drin.“
„Pöh!“ Petronius betäubte den Fisch und schnitt ihm den Kopf ab. Dann ging er nach achtern und übernahm das Steuer. Gro griff nach dem Kescher, schwenkte ihn mit einer schwungvollen Drehung und spähte angestrengt in die Tiefe.
„Wo verdammt noch mal hast du denn Fische gesehen?“
„Sind keine mehr da?“ Petronius fühlte sich irgendwie schuldig. Gro stand lange da und gaffte. Petronius dachte mit Grauen daran, daß der Rest des schönen, ruhigen Abends verdorben sein würde, wenn Gro keinen Fisch fing. Plötzlich sah er, wie sie den Kescher schwenkte, aufstand und sich mit dem Ärmel rasch den Schweiß von der Stirn tupfte.
„Glatt entwischt! Das war ein Biest. Sooo dick!“
Gro breitete die Arme aus, um es Petronius zu zeigen. Sie sah wieder ins Wasser und brabbelte vor sich hin, wie riesig der Fisch war, den sie fast gefangen hätte. Abermals schwenkte sie den Kescher, und schon zappelte ein Schwarzfisch im Netz, der aber nur ein Viertel so groß war wie das Exemplar, das Petronius gefangen hatte. Er mußte unwillkürlich lächeln, bremste sich aber sofort.
„Der läßt sich viel besser braten als deiner“, sagte Gro und fügte noch hinzu: „Blödsinnige Art, Fische zu fangen.“ Dann ging sie nach achtern und übernahm wieder das Steuer.
Petronius probierte es danach gar nicht mehr. Er sah zwar noch mehrere Schwärme direkt unter der Wasseroberfläche, lag aber nur da und beobachtete schweigend, wie sie dahinglitten. Sie hätten noch Dutzende haben können. Doch ihre kleine Spritztour sollte einen harmonischen Verlauf nehmen, und außerdem war er in romantischer Stimmung. Er stellte sich vorn aufs Deck und verschränkte die Arme über dem Kopf. „Du bist die reizendste Galionsfigur, die eine Frau sich an Bord nur wünschen kann“, rief Gro ihm zu. Er verharrte in seiner Stellung und blickte gedankenverloren in die Ferne. Plötzlich begann er, schallend zu lachen.
„Worüber lachst du denn?“
„Ich dachte nur daran, wie schön es sein wird.“
„Was wird schön sein?“
„Wir machen Pläne... ich meine, das, was wir planen.“
„Ach so, ja. Was ihr plant und wofür ich mich überhaupt nicht interessiere. Das wird sicher schön. — Petronius?“
„Ja?“
„Ich habe Lust, mit dir zu schlafen.“
„Dann tu es doch.“
Gro stoppte den Motor und warf den Anker. Im Nu war sie bei ihm und legte sich auf dem Boden des Bootes über ihn. Schön ist das, dachte Petronius. Schön, so richtig genommen zu werden. Auf die harte Tour. Er legte die Hände unter den Kopf und schloß die Augen, denn er wußte, so mochte es Gro. Er genoß es, so dazuliegen und zu spüren, wie sie sich dabei über ihm abmühte. Einfach dazuliegen und spüren, daß er ein richtiger
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