Die Tore Der Finsternis
Papierstapel auf dem Tisch, und das ursprüngliche Chaos war wiederhergestellt. Er sagte jedoch nichts dazu.
»Rico Lomax war vollkommen ahnungslos«, stellte Jazz McCullough irgendwann fest.
»Wie kommst du darauf?«
»Wer misstrauisch ist, ändert seine alltäglichen Gewohnheiten, aber unser Rico geht seelenruhig zur üblichen Zeit in den üblichen Pub.«
Zustimmendes Nicken. Ihre Überlegung war gewesen: Streit zwischen Gangsterbanden, ein Auftragsmord.
»Wir haben damals all unsere Spitzel ausgehorcht«, fügte Francis Gray hinzu. »So manchem unverdienten Mitbürger wurde Geld in die Hand gedrückt. Das Ergebnis: völlige Fehlanzeige.«
»Trotzdem könnte jemand für den Job engagiert worden sein«, warf Allan Ward ein.
»Ach, du bist auch noch da, Allan?« Gray klang überrascht. »Ist es denn nicht höchste Zeit, dass du dich mit deinem Teddy ins Bett verziehst?«
»Hör mal, Francis, kaufst du deine Pointen im Großhandel? Leider ist bei den meisten das Verfallsdatum schon längst überschritten.«
Allgemeines Gelächter, und ein paar der Männer zeigten mit dem Finger auf Gray, als wollten sie sagen: Da hat’s dir der Junge aber gezeigt, Francis! Er hat’s dir echt gezeigt!
Rebus beobachtete, wie Gray den Mund zu einem säuerlichen Lächeln verzog.
»Ich seh schon, das wird heute ein langer Abend«, meinte Jazz McCullough und brachte sie damit wieder auf den Boden der Tatsachen.
Nachdem er eine Bierdose geleert hatte, erhob sich Rebus, um auf die Toilette zu gehen. Sie befand sich eine Etage tiefer, am anderen Ende des Gebäudes. Als er den Raum verließ, hörte er noch, wie Sutherland eine der bereits geäußerten Theorien wiederholte: »Rico war freischaffend, stimmt’s? Das heißt, er war kein festes Mitglied einer Bande. Und wenn die Gerüchte stimmen, kümmerte er sich unter anderem darum, Kämpfer vom Schlachtfeld zu holen, wenn die Lage brenzlig wurde...«
Rebus wusste, was Sutherland meinte. Wenn jemand einen Mord begangen hatte oder in irgendwelche anderen Schwierigkeiten geraten war, die es erforderten, dass er für eine Weile von der Bildfläche verschwand, war es Ricos Job, für einen sicheren Unterschlupf zu sorgen. Er hatte alles Mögliche im Angebot: Sozialwohnungen, Ferienhäuser, Wohnwagen. Von Caithness bis zur Grenze nach England, von den Hebriden bis nach East Lothian. Eine seiner Spezialitäten waren Wohnwagen an der Ostküste: Cousins von Rico gehörten ein halbes Dutzend von den Plätzen, wo die
Dinger das ganze Jahr über herumstanden. Sutherland hätte gern gewusst, wer zum Zeitpunkt von Ricos Tod untertauchen musste. War womöglich eines von Ricos Verstecken aufgeflogen und die Aktion mit dem Baseballschläger die Strafe gewesen? Oder wollte jemand von ihm eine Adresse bekommen?
Das war kein schlechter Ansatz. Sorgen bereitete Rebus allerdings, wie sie es nach sechs Jahren anstellen würden, etwas herauszufinden. An der Treppe angekommen, sah er eine Silhouette nach unten verschwinden. Eine der Putzfrauen, dachte er. Aber die Putzfrauen waren schon vor einer Weile dagewesen. Er wollte gerade die Stufen hinuntersteigen, als er es sich anders überlegte. Er lief den angrenzenden Flur hinunter, an dessen Ende sich ebenfalls eine Treppe befand. Gleich darauf war er im Erdgeschoss. Er schlich dicht an der Wand zurück zur Haupttreppe, öffnete die Glastür und überraschte die Person, die sich dorthin zurückgezogen hatte.
»N’abend Sir.«
DCI Archibald Tennant wirbelte herum. »Ach, Sie sind’s.«
»Spionieren Sie uns nach, Sir?«
Rebus sah, wie Tennant überlegte.
»Unter den gegebenen Umständen«, brach Rebus das Schweigen, »hätte ich wahrscheinlich dasselbe getan.«
Tennant hob den Kopf. »Wer ist alles dabei?«
»Alle.«
»McCullough ist nicht nach Hause gedüst?«
»Heute nicht.«
»Wenn das so ist, bin ich wirklich beeindruckt.«
»Warum kommen Sie nicht mit hoch, Sir? Es sind noch ein paar Dosen Bier übrig.«
Tennant schaute ostentativ auf seine Uhr und rümpfte die Nase. »Höchste Zeit, dass ich mich aufs Ohr haue. Ich wär Ihnen sehr verbunden, wenn Sie nicht...«
»Erwähnen würden, dass Sie mir über den Weg gelaufen
sind? Würde das nicht gegen den Teamgeist verstoßen?« Er begann zu lächeln, genoss Tennants Unbehagen.
»Vielleicht könnten Sie ja dieses eine Mal so tun, als wären Sie ein Außenseiter.«
»Sie meinen also, ich soll mich wider meine Natur verhalten?«
Das entlockte dem älteren Mann ein Lächeln. »Wissen Sie was,
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