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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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»Wenn Ihr erlaubt«, sagte Elfric zu Godwyn,
»komme ich morgen zu Euch und nenne Euch einen Preis für die Arbeit.«
    »Einverstanden.«
    Elfric wandte sich
wieder Merthin zu. »Du bleibst hier und zählst die Steine in einem der
unversehrten Gewölbe. Melde dich mit dem Ergebnis bei mir.«
    »Ist gut.«
    Elfric und Godwyn
gingen, doch Thomas blieb. »Ich habe dich in Schwierigkeiten gebracht,
Merthin«, sagte er. »Ihr wolltet mich nur gut dastehen lassen.«
    Der Mönch zuckte
mit den Schultern und machte eine hilflose Geste mit dem rechten Arm. Sein
linker Arm war zehn Jahre zuvor am Ellbogen amputiert worden, nachdem die Wunde
sich entzündet hatte, die Thomas sich in einem Kampf zugezogen hatte. In einem
Kampf, dessen Zeuge Merthin geworden war.
    Merthin dachte nur
selten an diese seltsame Szene im Wald zurück; er hatte sich daran gewöhnt,
Thomas in einem Mönchsgewand zu sehen. Doch jetzt erinnerte er sich an die
Soldaten, an die Kinder, die sich in den Sträuchern versteckten, an den Bogen
und den Pfeil und den vergrabenen Brief. Thomas war stets freundlich zu ihm,
und Merthin vermutete, dass es mit den Geschehnissen an jenem Tag zu tun hatte.
»Ich habe nie jemandem von dem Brief erzählt«, sagte er leise.
    »Ich weiß«,
erwiderte Thomas. »Hättest du ‚s getan, wärst du tot.«
     
    Die meisten großen
Städte wurden von der Kaufmannsgilde geführt, die von den einflussreichsten
Bürgern gebildet wurde. Einen Rang unter der Kaufmannsgilde standen die
Handwerkszünfte, die der Steinmetze, Zimmerleute, Gerber, Weber und Schneider.
Dann waren da noch die Gemeinderäte, die an die einzelnen Kirchen gebunden
waren und deren Aufgaben darin bestanden, Geld für Priestergewänder und die
sakralen Gegenstände aufzutreiben und für die Witwen und Waisen zu sorgen.
    Domstädte waren
anders organisiert. Wie St. Albans und Bury St. Edmunds wurde auch Kingsbridge
vom Kloster regiert, dem in der Stadt und im Umland der meiste Grund und Boden
gehörte. Die Prioren hatten stets die Erlaubnis zur Bildung einer
Kaufmannsgilde und damit eines Stadtrats verweigert. Allerdings gehörten die
wichtigsten Handwerker und Kaufleute dem Gemeinderat von St. Adolphus an. Ohne
Zweifel hatte dieser Rat in ferner Vergangenheit als fromme Gemeinschaft
begonnen, die Geld für den Bau der Kathedrale gesammelt hatte, doch nun war er
die wichtigste weltliche Organisation der Stadt. Der Rat stellte Regeln für den
Handel auf und legte die Maßeinheiten fest, nach denen das Gewicht eines Sacks
Wolle, die Breite eines Stoffballens und die Menge eines Scheffels Getreide
bemessen war. Die Kaufleute durften jedoch nicht zu Gericht sitzen, wie es in
Burgstädten der Fall war — dieses Recht behielt die Priorei sich vor.
    Am Nachmittag des
Pfingstsonntags veranstaltete der Gemeinderat für die wichtigsten Händler von
außerhalb ein Bankett in der Ratshalle. Edmund Wooler war der oberste Ratsherr,
und da Caris ihn als Gastgeberin begleitete, musste Merthin sich ohne sie amüsieren.
    Glücklicherweise
waren Elfric und Alice ebenfalls auf dem Bankett, sodass Merthin in der Küche
sitzen, dem Regen lauschen und nachdenken konnte. Es war nicht kalt; dennoch
brannte ein kleines Herdfeuer, dessen rote Glut Merthin aufheiterte.
    Merthin hörte, wie
Elfrics dralle Tochter Griselda oben im Haus umherging. Es war ein schönes
Haus, wenn auch kleiner als Edmunds. Unten gab es nur eine Halle und eine
Küche. Die Treppe führte auf einen offenen Absatz, wo Griselda schlief;
dahinter befand sich ein abgetrenntes Schlafzimmer für den Meister und seine
Frau. Merthin schlief in der Küche.
    Es hatte eine Zeit
gegeben — vor drei, vier Jahren —, da war Merthin des Nachts von Träumen
geplagt worden, in denen er die Treppe hinaufschlich und sich unter die Decken
schob, um sich an Griseldas warmen, üppigen Leib zu schmiegen. Doch diese
Träume waren verflogen. Griselda betrachtete Merthin als unter ihrer Würde,
behandelte ihn wie einen Laufburschen und hatte ihn nie auch nur im Mindesten
ermutigt.
    Merthin saß auf der
Bank, schaute ins Feuer und stellte sich das Gerüst vor, das er für die
Steinmetze bauen würde, die das    eingestürzte Gewölbe wieder herrichten
mussten. Holz war teuer und lange Baumstämme rar — Waldbesitzer erlagen oft der
Versuchung, Holz zu verkaufen, ehe die Bäume ausgewachsen waren.
    Deshalb waren
Baumeister bestrebt, so wenig wie möglich auf Gerüste zurückzugreifen.

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