Die Tore des Himmels
Tür geschlüpft, war gerade dabei, sie hinter mir zu schließen, da spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich erstarrte. Mir war, als wiche alles Blut aus meinem Körper.
»Was tust du in meiner Schlafkammer?«, fragte Heinrich Raspe lauernd. Seine blauen Augen funkelten mich misstrauisch an.
Ich schwitzte aus allen Poren. Langsam drehte mich um, suchte fieberhaft nach einer glaubhaften Erklärung. »Ich … wollte mit dir reden.«
Er runzelte die Stirn. Noch nie war ich allein in seinem Zimmer gewesen. Und natürlich hätte ich anklopfen müssen und dann feststellen, dass niemand da war. Eine laue Ausrede. Er glaubte mir kein Wort. Ein Schweißtropfen lief langsam an meinem Rückgrat abwärts.
Wie ein Schraubstock umklammerte er mein Handgelenk und zog mich wieder ins Zimmer. »Also, warum warst du hier drin?«
»Ich … na ja, ich habe geklopft und du warst nicht da, und dann hab ich mir gedacht, ich warte einfach. Das ist alles.« Ich hob beschwichtigend die Hände. »Oder glaubst du vielleicht, ich wollte etwas stehlen?«, ging ich mit dem Mut der Verzweiflung zum Angriff über.
Er überlegte einen Augenblick. Ich war am ganzen Hof für meine unersättliche Neugier bekannt, kaum jemand wusste das besser als Heinrich, schließlich war er mit mir aufgewachsen. »Na gut«, meinte er lau, »ich glaube dir. Und was hat dich nun hergeführt?«
Ich hatte mich eigentlich noch nicht auf dieses Gespräch vorbereitet. Aber ich hatte den Ring gesehen. Ich konnte nicht mehr warten. Nie wieder würde ich eine Berührung Heinrichs ertragen, jetzt nicht mehr. Es war an der Zeit, es musste sein. Ich holte tief Luft und fing einfach an, zu reden: »Heinrich, ich wollte es dir eigentlich viel früher sagen. Ich habe nachgedacht in den letzten Wochen. Ich finde, du bist anders geworden. Du bist nicht mehr so wie früher. Dein Ehrgeiz zerfrisst dich. Du lachst nicht mehr. Vielleicht hab auch ich mich verändert, ich weiß es nicht. Aber ich hab das Gefühl, wir beide … es ist einfach … es ist vorbei. Ich liebe dich nicht mehr, Heinrich. Es tut mir so leid. Bitte sei mir nicht böse. Und lass uns ohne Groll auseinandergehen. Bitte.«
Endlich wagte ich es, ihn anzusehen. Seine Kiefer mahlten. Er hatte meine Hand längst losgelassen. »Du?«, zischte er. »Du kleines Nichts kündigst mir die Liebschaft auf? Mir?« Er rollte mit den Augen als könne er nicht glauben, was er gerade gehört hatte, und lachte, ein leises, böses Lachen. »Ich habe dich erhöht, du kleine hinkende Schlampe, indem ich dich in mein Bett geholt habe! Hab dir zur besten Zeit deines Lebens verholfen! Und falls du denkst, dass es mich trifft, wenn du’s dir jetzt anders überlegt hast, dann täuschst du dich, mein Liebchen!«
»Heinrich bitte, ich will nicht mit dir streiten …«
»Oh, wer streitet denn?« Wieder lachte er. »Weißt du, ich hab mich immer gefragt, wie lange du dich eigentlich noch hinhalten lässt. Hab mich gewundert, dass du nie gemerkt hast, dass außer dir die Hälfte des weiblichen Hausgesindes in den Genuss meiner unerschöpflichen Manneskraft gekommen ist. Die junge, hübsche Hälfte, natürlich.«
»Hör auf.« Ich schlug die Hände vors Gesicht.
»Du hast tatsächlich geglaubt, du bist die Einzige. Und dass du einmal Frau Landgräfin werden würdest, haha, du, ein Habenichts, eine Kammermagd!«
Ich weinte. Ja, das alles hatte ich geglaubt. »Lügner«, stieß ich hervor. »Du bist ein Lügner.«
»Du wolltest doch belogen werden.« Heinrich breitete die Arme aus. »Und sei ehrlich, du hattest doch auch deinen Spaß, hm? Wie bereitwillig du in jedem Hinterzimmer die Röcke gehoben hast, wie du gestöhnt hast und geseufzt. Gebraucht hast du’s doch, du kleine Hure, und von mir hast du’s bekommen.«
In mir stieg ein unbändiger, wilder Zorn auf. Ich fühlte mich so unendlich erniedrigt, benutzt und beschmutzt. »Du bist genau so, wie dein Bruder von dir denkt!«, schrie ich. »Gemein und schlecht und böse. Kein Wunder, dass er dir Hessen nicht gibt und nicht die Herrschaft in Thüringen mit dir teilt, weil er …«
Ich konnte den Satz nicht beenden. Er holte aus, und sein Handrücken traf mich mit voller Wucht im Gesicht. Mit einem Aufschrei kam ich ins Taumeln, fiel hin und schlug mit der Schläfe gegen die große Schranktruhe. Er packte mich, zerrte mich hoch und stieß mich zur Tür. »Verschwinde, du Luder, und komm mir nicht wieder unter die Augen«, sagte er mit eisiger Stimme.
Draußen floh
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