Die Tore des Himmels
aus ihm herausbrechen lassen. Entsetzen stieg in ihm auf. Er hatte einen wehrlosen Menschen getötet. Und er hatte die Frau verloren, die er geliebt hatte. Sein Leben lag in Trümmern.
Er schlug die Hände vors Gesicht und fiel auf die Knie.
Als der Landgraf eine Stunde vor Sonnenuntergang auf die Neuenburg zurückkehrte, fand er alle in heller Aufregung. Seine Mutter und die wichtigsten Berater warteten im großen Saal auf ihn, und Sophia war es auch, die ihm in knappen Worten schilderte, was geschehen war.
Ludwig ließ sich auf einen Scherenstuhl sinken. Er wusste, es war an ihm, über Raimund von Kaulberg zu richten. Doch dies hier war etwas anderes als Mittelstedt – hier ging es nicht um heimlich versetzte Grenzsteine, Meineid oder falsche Schenkungen, hier ging es um Leben und Tod. Was sollte er nur tun mit seinem Freund und Waffenlehrer, der aus enttäuschter Liebe zum Mörder geworden war? Hilfesuchend wandte er sich an Berthold, seinen Kaplan.
»Vater, gebt mir Euren Rat. Ich sehe, dass ein gehörnter Ehemann im Zorn seinen Nebenbuhler getötet hat. Hatte er gutes Recht dazu? Mir scheint, ja. Er war als Ritter in seiner Ehre gekränkt, die Rache stand ihm zu. Dennoch kann solch ein Mord nicht völlig ungesühnt bleiben. Die Familie des Toten wird Sühne fordern, vielleicht eine Fehde beginnen. Das kann ich als Landesfürst nicht zulassen.«
Berthold nickte. »Ihr habt g… ganz recht, Herr.«
»Er muss bestraft werden«, forderte Anno von Gudensberg, ein entfernter Verwandter des Bernroders. »Der Ermordete war wehrlos. Bei Gott, ein so vielversprechender junger Ritter, unbescholten und ohne Tadel!«
»Er hatte einen Dolch«, brummte Walter von Vargula. »Und er hat das Weib eines Kreuzfahrers entehrt – das würde ich nicht ohne Tadel nennen.«
»Er hat bekommen, was er verdient.« Das war Heinrich von Ebersburg. Die meisten Anwesenden nickten. Ein Mann hatte seit jeher das Recht, seinen Nebenbuhler zu töten, wenn er ihn auf frischer Tat ertappte.
»Dennoch ist es M… mord«, warf der Kaplan ein. »Und in der H… heiligen Schrift heißt es: Du sollst n… nicht töten.«
»Ein Gottesurteil?«, überlegte Ludwig.
Walter von Vargula kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Möglich. Aber nicht unbedingt nötig.«
»Was wird überhaupt mit der Frau?«, fragte Siegfried von Spatenburg. »In der Bibel steht auch: Du sollst nicht ehebrechen. Dieses Weib ist ein liederliches Stück ohne Anstand und Gewissen.«
Sophia erhob sich von ihrem Platz am Fenster. »Ich habe Eilika davon überzeugt, dass es das Beste für sie ist, den Schleier zu nehmen.«
»Du schickst sie ins Kloster?« Ludwig hob die Augenbrauen.
»Soll sie zu dem Mann zurück, den sie betrogen und der ihren Liebhaber auf dem Gewissen hat? Das kann nicht gutgehen, für beide nicht. Zu ihrer Familie will sie nicht, sie behauptet, ihr Vater erschlägt sie. Also lasse ich sie morgen zu den Zisterzienserinnen nach Frauensee bringen.«
»Da kann das Malefizluder für den Rest ihres Lebens Reue üben«, knurrte der alte Vargula.
»Ei, soll der Mörder dann wohl auch ins Kloster?«, fragte der Spatenburger.
»Nein. Aber für Raimund von Kaulberg hätte ich auch einen Vorschlag«, wandte sich die Landgräfin nun an ihren Sohn. »Schick ihn zurück ins Heilige Land. Eine Kreuzfahrt tilgt alle Schuld, das gilt seit jeher. Sie ist so gut wie ein Sündenablass. Will Gott den Mörder dennoch strafen, so wird er das in Outremer tun.«
»Was meint Ihr?« Ludwig sah seinen Kaplan und die Ratgeber an. Alle nickten, sogar der Gudensberger.
»Dann ist dies meine Entscheidung: Raimund von Kaulberg verlässt innerhalb von drei Tagen Thüringen, um seine Tat im Heiligen Land zu sühnen.« Ludwig erhob sich und ging zur Tür. Die Erleichterung war ihm anzumerken. »Ich werde ihm das Urteil selbst mitteilen.«
Noch bevor er den Riegel heben konnte, rannte Gisa, die draußen gelauscht hatte, atemlos durch die Gänge, bis sie endlich das Frauenzimmer erreicht hatte. Drinnen fiel sie Elisabeth um den Hals. »Sie lassen ihn leben«, schluchzte sie. All ihre Anspannung entlud sich in einer Tränenflut.
Elisabeth lächelte. »Ich wusste es«, sagte sie. »Ich habe den lieben Herrn Jesus darum gebeten.«
Gisa
D rei Tage lang blieb er in der Kapelle, betete und bereute. Wie gern wäre ich zu ihm gegangen, ihn zu trösten, mit ihm zu trauern. Denn auch ich fühlte mich schuldig. Hätten wir der Landgräfin früher von Eilikas Ehebruch erzählt, wäre
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