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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Powers
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neben Dr. Romanys Degen auf dem Arbeitstisch lagen. Nachdem er die ersten paar Zeilen der »Zwölf Stunden der Nacht« niedergeschrieben hatte, war er nicht sonderlich überrascht gewesen, als er bemerkt hatte, daß sein beiläufiges Gekritzel zwar erkennbar sein eigenes geblieben war, die übernommene Linkshändigkeit Steerforth Benners seine formelle Handschrift jedoch verändert hatte, wenn auch nicht so sehr, daß von keiner Ähnlichkeit hätte gesprochen werden können: denn sie war identisch mit William Ashbless' Handschrift. Und nun, da er das Gedicht ganz geschrieben hatte, war er gewiß, daß eine vollkommene Übereinstimmung zwischen diesem von ihm geschriebenen Gedicht und dem Exemplar bestand, das 1983 im British Museum zu besichtigen war; eine fotografische Übereinstimmung zwischen seiner Version und dem Originalmanuskript, die bis zum letzten Komma und i-Punkt ging.
    Originalmanuskript? dachte er mit einer Mischung von Ehrfurcht und Unbehagen. Dieser Stoß Papiere hier ist das Originalmanuskript... es ist bloß neuer als zu der Zeit, als ich es 1976 sah. Hah! Ich wäre damals nicht so stark davon beeindruckt gewesen, wenn ich gewußt hätte, daß ich diese Kratzer mit der Kielfeder gemacht hatte oder machen würde. Ich frage mich, wann, wo und wie es die Fettflecken annehmen wird, die auf den ersten Seiten gesehen zu haben ich mich deutlich erinnern kann.
    Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Mein Gott, dachte er, wenn ich bliebe und mein Leben als Ashbless zu Ende lebte - was das Schicksal mir offenbar zugedacht hat -, dann hat niemand Ashbless' Gedichte geschrieben. Ich werde seine Gedichte aus dem Gedächtnis kopieren, da ich sie aus der 1932 erschienenen Sammelausgabe kenne, und meine Kopien werden für die Zeitschriften gedruckt, und später wird man die Zeitungsausschnitte zur Zusammenstellung des Sammelbandes verwenden! Es ist eine Zeitschleife, ein geschlossener Kreis, und niemand ist der eigentliche Schöpfer dieser Gedichte! Ich bin bloß der Übermittler und Sachwalter.
    Er schob die schwindelerregende Vorstellung von sich, stand auf und trat zum Fenster. Wenn er den Vorhang lüftete, konnte er auf den geräumigen Hof des Gasthauses zum Schwan mit zwei Hälsen hinabsehen, auf dem sich Post- und Privatkutschen drängten. Er überlegte, wo Byron sein mochte; mittlerweile hätte er jede Menge Rotweinflaschen finden müssen, und er, Doyle, hätte nichts gegen ein Gläschen, um die Erwägung bestimmter Fragen hinausschieben zu können... Wie zum Beispiel der Frage, was aus diesem Byron-Ka werden sollte. Es mußte verschwinden, denn es gab keine historischen Aufzeichnungen über einen Doppelgänger. Andererseits redete er davon, daß er alte Freunde besuchen wollte. Wie also würde er verschwinden? Unterlag ein Ka der Abnutzung? Oder würde er sterben wie jeder andere Mensch?
    Er hatte den Vorhang eben losgelassen und sich umgewandt, als es an die Tür klopfte. »Wer ist da?«
    »Byron, mit Erfrischungen«, kam die fröhliche Antwort. »Wen hatten Sie erwartet?«
    Doyle entriegelte die Tür und ließ ihn ein. »Sie müssen weit gegangen sein, diese Einkäufe zu machen.«
    »Ja, ich ging hinüber zur Cheapside«, räumte Byron ein. Er hinkte zum Tisch und legte ein in Wachspapier gewickeltes Bündel darauf. »Aber mit gutem Ergebnis.« Er machte sich daran, das Bündel auszuwickeln. »Voilà! Heiße Hammelkeule, Hummersalat und eine Flasche Bordeaux, was mir zwar unwahrscheinlich vorkam, vom Verkäufer aber mit einem Schwur erhärtet wurde.« Er blickte auf. »Wir haben keine Gläser.«
    »Nicht mal einen Schädel, um daraus zu trinken«, sagte Doyle.
    Byron grinste. »Sie haben meine Mußestunden gelesen!«
    »Viele Male«, sagte Doyle wahrheitsgemäß.
    »Na, Gott mit Ihnen! Jedenfalls können wir die Flasche kreisen lassen.«
    Byron sah sich im Raum um und bemerkte die Papiere auf dem Tisch. »Aha!« rief er und nahm das Bündel zur Hand. »Gedichte! Bekennen Sie, es sind Ihre eigenen.«
    Doyle lächelte und zuckte gleichsam abbittend die Achseln. »Meine und keines anderen.«
    »Darf ich?«
    Doyle machte eine unbeholfene Handbewegung.
    »Bedienen Sie sich!«
    Nachdem er die ersten Seiten gelesen - und, wie Doyle bemerkte, Fettflecken vom Auswickeln der Hammelkeule darauf hinterlassen hatte - legte Byron das Manuskript zurück und sah Doyle nachdenklich an. »Ist es Ihr erster Versuch?« Er zog den bereits gelockerten Korken aus dem Flaschenhals und tat einen kräftigen Zug.
    »Äh... ja.« Doyle

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