Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)

an seiner Seite herunterhängen. Wenn sein Blut an dir klebt,
kannst du dem Geruch nicht folgen. Später vielleicht, aber nicht jetzt. Er schulterte den Gedanken wie eine Bürde, schnaubte, drehte sich um und ging weiter über den Strand.
    »Wohin gehen wir überhaupt?«
    »Es hat nie ein WIR gegeben«, grollte Gariath. »Es gibt ein ICH für den, der steht, und ein DU für den, der im Weg steht.«
    »Eben.« Dreadaeleon nickte. »Wir.«
    »WIR würde implizieren, dass ich und du auf derselben Stufe stehen.« Er drehte sich herum und stellte seine mit Zähnen reichlich bestückte Schnauze zur Schau. »Das tun wir nicht.«
    »In dem Fall also, wohin gehst du?«
    Verrate es ihm einfach, sagte sich der Drachenmann. Wenn er erfährt, dass es ein langer Weg ist, bricht er vielleicht allein bei dem Gedanken an die Anstrengung zusammen. Vielleicht kommt dann die Flut und ertränkt ihn. Er grinste bei dieser Vorstellung. Dann ist sein Gestank keine Last mehr, und Lenk hat keinen Grund, sich zu beschweren.
    »Ich folge einem Geruch«, erwiderte er schließlich.
    »Nahrung?«, erkundigte sich Dreadaeleon.
    »Nein.«
    »Wasser?«
    »Nein.«
    »Ein anderer Drachenmann?«
    Gariath blieb wie angewurzelt stehen und richtete sich stocksteif auf. Langsam drehte er sich um und betrachtete Dreadaeleon wütend.
    »Du benutzt deine Magie gegen mich«, grollte er, »und versuchst, meine Gedanken zu lesen.«
    »Telepathie, hm?«, meinte Dreadaeleon. »Nein, das mache ich nicht. Ich könnte es nicht, jedenfalls nicht mit diesen Kopfschmerzen.« Er warf ihm ein selbstgefälliges Lächeln zu, das geradezu darum bettelte, wie eine Nuss geknackt zu werden. »Ich habe einfach nur geschlussfolgert.«
    »Geschlussfolgert.«
    »Das ist der Akt des …«
    »Ich weiß, was das bedeutet.«
    »Ah.« Der Jüngling nickte. »Selbstverständlich. Ich meinte einfach nur, dass du angesichts der Art und Weise, wie du witterst, nur sehr wenige Dinge suchen kannst. Gewöhnliche Tiere suchen mit ihrem hoch entwickelten Geruchssinn normalerweise nur Nahrung, Wasser oder Paarungspartner.«
    »Schlau«, knurrte Gariath. »Sehr schlau.«
    »Das finde ich auch.«
    »Bis auf eine Kleinigkeit.« Er hob einen krallenbesetzten Finger. »Dieser Finger hier ist einer von fünf, die zu einer von zwei Händen gehören, genau dieselbe Anzahl, wie ich Füße habe, und die ich allesamt benutzt habe, um Schädel zu spalten, Arme auszureißen, Rippen zu zertrümmern und andere Unfreundlichkeiten Menschen gegenüber zu begehen.« Er rammte dem Jüngling den Finger in die Brust. Dreadaeleon taumelte einen Schritt zurück. »Menschen, die weit kleiner waren als du und mich mit weit netteren Namen bedacht haben als ›gewöhnliches Tier‹.«
    In Dreadaeleons geweiteten Augen leuchtete eine Angst, die Gariath schon häufiger in ihnen gesehen hatte. Mit vorhersehbarer Regelmäßigkeit begriff der Junge, dass er nicht der Mann war, der zu sein er vorgab. Diese Reaktionen wurden gewöhnlich durch Gespräche mit der großen braunhaarigen Menschenfrau oder dem noch größeren rothäutigen Drachenmann hervorgerufen. Und diese Reaktionen hatten häufig auch emotionale Auswirkungen.
    »Ich … ich habe nicht… ich meine, ich wollte nicht …«
    Zum Beispiel stammeln.
    »Es war nicht meine Absicht…« Dreadaeleon senkte den Blick.
    Auf den Boden blicken wie ein Welpe.
    »Du musst mir glauben …« Die Knie des Jünglings zitterten.
    »Ich glaube dir«, unterbrach Gariath ihn.
    Obwohl er es nicht gern zugab, empfand er einen gewissen
boshaften Stolz darauf, dass er einen Menschen dazu bringen konnte, sich in die Hose zu machen. Aber diese Reaktionen waren eigentlich für Zeiten reserviert, in denen er nicht gerade jagte. Menschlicher Urin war schmutzig, gelb und stank zumeist nach Schnaps. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Fledermausdung im Urin dessen Gestank verfeinerte.
    Der Junge seufzte zutiefst erleichtert, was Gariaths Glauben an die menschliche Blase nicht unbedingt stärkte. Er verdrehte die Augen, drehte sich um und marschierte weiter über den Strand.
    »Und, kann ich helfen?«
    »Du kannst bei vielen Dingen helfen«, knurrte Gariath. »Zum Beispiel könntest du aufhören zu glauben, dass ich dein Gerede hören möchte.«
    »Ich meinte, ob ich dir helfen kann, das zu finden, wonach du suchst.« Dreadaeleon musste sich anstrengen, mit den ausgreifenden Schritten des Drachenmannes mitzukommen. »Ich bin nicht schlecht, was Hellsicht angeht.«
    »Was?«
    »Hellsicht.