Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
Schwefel und etwas anderem, aber ohne den Gestank von wirklichem Feuer.
Dann, unvermittelt, verstummten sie.
Sie wartete, zuckte mit den Ohren, lauschte auf mehr. Sie hätte vermutlich fliehen sollen, aber die Geräusche verlockten sie, regungslos stehen zu bleiben. Sie musste einfach das Ende der Geschichte erfahren, die im Dschungel begonnen hatte.
Einige Momente verstrichen, erschienen ihr wie eine angespannte Ewigkeit der Stille. In der Ferne brach ein verbrannter Ast von einem Baum und landete mit einem leisen Aufprall auf dem Sand. Sie atmete, wie ihr bewusst war, so laut, dass sie genauso gut etwas sagen konnte.
»Ha…«, flüsterte sie kaum hörbar. »Hallo?«
Die Antwort kam einen halben Lidschlag später.
Lenk flog wie ein Speer durch die Luft, schoss durch den Rauch und zog eine Spur aus frischer Luft nach sich. Er landete Funken stiebend auf dem Boden, wo er sich von einem Geschoss in einen Pflug verwandelte und eine tiefe Furche in dem verbrannten Sand hinterließ. Eine Aschewolke stob hinter ihm auf. Ein Entsetzensschrei ertönte, dann folgte ein leises Krachen, als er gegen einen Baum prallte.
Und wieder herrschte Stille.
Sie hastete zu ihm, rief nicht einmal seinen Namen und schrie auch nicht vor Angst vor dem, was ihn so weit hatte schleudern können. Sie machte gar keine Geräusche, bis auf das leise Knirschen der Erde unter ihren Füßen und den Worten, die sie zwischen den Zähnen hervorstieß.
»Sei nicht tot, sei nicht tot«, wiederholte sie wie ein Mantra, »Lebendige Riffid, sei nicht tot.«
Er hätte gut tot sein können, wie er da in einem halb fertigen Grab lag, mit dem verbrannten Baum als Grabstein. Bewegungslos, mit geschlossenen Augen, das Schwert locker in der Hand, wirkte er beinahe friedlich in seiner Grube. Sie war so tief, dass sie hineinspringen musste, um zu ihm zu gelangen.
»Sei nicht tot, sei nicht tot!«
Sie legte zwei Finger an seinen Hals; nichts. Sie drückte ihr langes, spitzes Ohr auf seine Brust. Kein Geräusch.
»Sei nicht tot, sei nicht tot!«
Sie beugte sich dichter zu seinem Gesicht; sein Atem war kalt und eisig. Ihre Augen schwammen vor Tränen, weil der Rauch in ihnen brannte.
»Sei nicht …«
Er öffnete so plötzlich die Augen, dass sie zurückfuhr. Dann erhob er sich vom Boden wie eine lebende Leiche, angetan mit einem Umhang aus Asche. Er hielt das Schwert in der Hand, blank und silbern. Seine Augen drangen durch den Rauch wie blau brennende Kerzen. Sein Blick glitt über sie hinweg, nahm ihre Gegenwart zur Kenntnis, bevor er lautlos aus der Grube sprang.
»Lenk«, rief sie ihm nach. »Bist du …?«
»Weiß nicht«, antwortete er. Seine Stimme klang wie die Glut unter seinen Stiefeln. »Muss jetzt kämpfen.«
»Kämpfen? Wogegen?«
Auch diese Frage wurde beantwortet, als sie aus dem Grab stieg.
»Sie werden nicht hören. Sie können Dich nicht hören!«
Katarias Ohren zuckten. Ein Dutzend erstickte Stimmen sprachen gleichzeitig, und ihr Tonfall änderte sich bei jedem Wort.
»Ich habe es versucht! Wie ich es versucht habe! Wie ich gelitten habe!«
Dann zerbröckelte Glut unter den Schritten riesiger Füße.
»Aber wofür, Mutter? Sie verweigern sich der Erleuchtung, stoßen Dich zurück!«
Eis knackte.
»Habe ich Dir denn meine Hingabe nicht ausreichend gezeigt? Soll all mein Leiden vergeblich sein?«
Schweigen. Rauch, der vom Boden aufstieg.
»NEIN!«
Die endlose graue Rauchwand waberte, riss auf und gab den Blick auf das riesige, baumähnliche Abysmyth in der Mitte eines Waldes gefrorener Froschwesen frei. Die Monstrosität schimmerte hell in der Dämmerung; ihre großen, ausdruckslosen Augen zuckten; die Klauen waren von grünem Schleim überzogen, der bei jedem rasselnden Atemzug der Kreatur pulsierte.
»Es gibt…«, Kataria starrte die Kreatur fassungslos an, »zwei von ihnen?«
»Noch eins?« Lenk suchte den Rauch ab. »Wo?«
»Hinter uns«, gab Kataria zurück. »Es ist tot. Irgendetwas ist hier vorgefallen.« Sie blickte von den Wunden des Dämons auf einen Klumpen der pulsierenden grünen Substanz auf dem Boden. Blut ist das nicht, dachte sie und fragte sich, was es dann wohl sein mochte. »Wahrscheinlich ist ihm dasselbe passiert wie dem hier.«
»Eines oder tausend«, murmelte der junge Mann und hob sein Schwert. »Wir werden diese Insel von dieser Pest befreien.«
»Glaubst du, dass wir das können?«
»Du kannst das nicht«, antwortete er scharf. »Wir können es.«
»Wir?« Sie sah ihn entsetzt an. »Wer
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