Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)

Stattdessen überkam sie ein noch abscheulicheres Gefühl.
    Das große Omen marschierte an den Reihen seiner kleineren Parasitengefährten vorbei wie ein General, der seine Truppen inspiziert. Natürlich, das musste Asper einräumen, konnte sie nicht erkennen, ob die Kreatur die anderen überhaupt ansah; sie waren viel zu weit entfernt, um außer der Größe der Kreatur irgendetwas zu erkennen.
    Und doch, der Abscheu, den sie hervorrief, war selbst am Ufer zu spüren. Alles an ihr war schrecklich; ihr ungelenker Gang, ihr wackelnder Kopf, ihr schmuddeliger, plumper Körper. Asper gab in einem ehrlichen Moment zu, dass es ihr lieber wäre, wenn diese Kreatur weit weg wäre.
    Natürlich, dachte sie finster, würde Gariath nicht eine Sekunde zögern, hinaufzusteigen und ihr die Schwingen auszureißen … Sind das Schwingen oder Hände?
    »Faszinierend, stimmt’s?«
    Ihre finstere Miene verdüsterte sich noch mehr; offenbar war jemand anders von dieser Kreatur nicht im Geringsten eingeschüchtert.
    »All diese Omen«, Dreadaeleon deutete auf den Turm, »rühren sich absolut nicht.«
    »Immerhin haben sie nichts zu tun«, knurrte Asper.
    »Sie sind das Ungeziefer der Hölle, Gelehrter«, stimmte Grünhaar dem Magus zu. »Sie besitzen weder die Gabe des Denkens noch des Fühlens.«
    »Das wissen wir, sicherlich. Aber seht doch, sie hüpfen auch nicht mehr herum.« Er sah Asper an. »Wisst Ihr noch,
wann immer sie von einem Abysmyth getrennt waren, oder vielleicht sollte ich sagen, von ihrem Abysmyth, wirkten sie verwirrt und bestürzt.«
    »Wir haben das nur einmal miterlebt«, gab Asper zu bedenken.
    »Zweimal. Gariath hat gesagt, sie hätten genauso reagiert, als er sie … entsorgt hat.« Er leckte sich die Lippen. »Allerdings weiß ich das natürlich nicht genau, da offenbar keines von ihnen bemerkt hat, dass er mich an diesem Punkt als tot zurückgelassen hat.«
    »Vielleicht solltest du ihm dafür danken.« Sie zwang sich, ihre Stimme schneidend klingen zu lassen. »Immerhin hast du ja eine ausgezeichnete Gesellschaft in diesem Seeflittchen gefunden.«
    »Flittchen?« Grünhaar legte den Kopf auf die Seite. »Ist das euer Wort für Schalentiere?«
    »Es ist eine Art Fisch, gewiss.« Asper kochte vor Wut.
    »Wie ich gerade sagte«, unterbrach Dreadaeleon sie mit einem Nachdruck, der so gar nicht zu seiner zierlichen Gestalt passte, »diese Omen hier scheinen nicht im Geringsten beunruhigt zu sein, dass kein Abysmyth in der Nähe ist.«
    »Dieses Gefühl kann ich nachvollziehen.«
    »So wie wir alle.« Dreadaeleon nickte. »Aber denkt an die Ereignisse des Morgens, als ich sie mit meinem Glamer weggelockt habe.«
    Asper nickte grimmig; sie erinnerte sich viel zu lebhaft daran.
    Der größere Parasit hatte sehr rasch reagiert und sich mit einem durchdringenden Kreischen von den Zinnen gestürzt. Der Schrei, den seine kleineren Verwandten wiederholt hatten, hatte den Himmel und das Meer beschmutzt, als sie in einer Wolke von weißen Federn und riesigen Augen zu dem imaginären Blutflecken geflogen waren, den Dreadaeleon auf das Meer gezaubert hatte.
    Sie zuckte zusammen, als sie sich an den noch lauteren Schrei erinnerte, den sie bei der Entdeckung ausgestoßen
hatten, dass es eine Illusion gewesen war. Es war viel zu spät gewesen, um zu bemerken, dass Lenk und die anderen in den Turm geschlichen waren. Sie waren einfach nur auf die Zinnen zurückgeflogen, wo sie seitdem hockten.
    »Sie sind dem Großen gefolgt«, murmelte Asper, »wie Küken ihrer Mutter.«
    »Ich hätte sie mit Lemmingen verglichen, aber Eure Analogie ist vielleicht sogar besser.« Dreadaeleon grinste. »Jedenfalls scheint das größere als Ersatz für die Abysmyths zu dienen und ihnen an ihrer Stelle, wenn Ihr so wollt, Befehle zu geben.« Er tippte sich nachdenklich auf die Wange. »Obwohl sie nicht viel klüger zu sein scheinen als die kleineren.«
    »Nicht besonders, nein.« Sie sah ihn an. »Ich nehme an, du hast einen Grund für diese Überlegungen?«
    »Obwohl das Wissen selbst Grund und Belohnung genug wäre … ja, ich habe einen. Wenn das größere die Befehle gibt, dann kann man zu Recht vermuten, dass wir all die kleineren als unwichtig abtun können.« Er deutete mit einem Finger auf den Turm und zielte auf das größere Omen. »Zack.« Er grinste.
    »Das … ist wirklich keine schlechte Idee.« Asper war etwas ärgerlich, weil sie dem Jüngling ein Kompliment machen musste, aber sie nickte dennoch anerkennend. »Schlag den Kopf ab,