Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
das irgendwie gefällt.
Da ich niemanden aufschlitzen und seine Eingeweide auf dem Boden verstreuen muss, unternehme ich stattdessen ausgedehnte Spaziergänge auf eben diesem Boden. Ich verbringe die meisten Tage damit, mit Kataria am Strand spazieren zu gehen, höre ihr zu, wie sie mir alles über die verschiedenen Pflanzen und Muscheln erzählt und über das Treibholz, das wir finden. Ich bin sicher, dass sie mindestens die Hälfte von dem, was sie mir erklärt, erfindet, aber jedes Mal, wenn ich sie diesbezüglich zur Rede stellen will, lächelt sie nur und ... sieht mich an.
Sie glotzt mich nicht an, sondern ... sie sieht mich an, als wäre ich etwas, was sie ansehen möchte. Sie starrt mich zwar an, aber nicht so, als würde sie nach irgendetwas unter meiner Haut suchen, sondern als würde sie meine Haut genauso mögen, wie sie ist. Kurz, sie starrt mich an, und es macht mir nichts aus. In meinem Kopf ist nichts, was mich deshalb anschreit.
Denn ... ich höre die Stimme nicht mehr so häufig.
Ich fange sogar wieder an, mich an mein altes Leben zu erinnern, bevor das alles passiert ist. Ich kann mich an meine Familie erinnern. Nicht an ihre Namen, das nicht, aber an ihre Gesichter, an die Farbe des Bartes meines Großvaters, an die schwieligen Hände meines Vaters, an den Geruch des Tees, den meine Mutter morgens gekocht hat. Ich kann mich daran erinnern, dass ich Kühe gemolken habe, Angst vor Hunden hatte, Scheunen gefegt habe ...
Und all das, wenn ich in ihrer Nähe bin.
Um ehrlich zu sein, ist nicht alles großartig. Ich träume immer noch, träume von Flammen, von großen blauen Augen ohne Pupillen. Ich fühle mich unter den Owauku wohl, aber ihre großen, schuppenbärtigen Freunde, die Gonwa, betrachten mich mit Abscheu. Vielleicht wissen sie ja, dass ich vorgehabt habe, sie allesamt
umzubringen. Allerdings verstehe ich nicht, warum sie deshalb beleidigt sein sollten. Damals kannte ich sie doch noch nicht; es wäre also ein vollkommen unschuldiges Gemetzel gewesen.
Aber ich will darüber nicht nachdenken. Es gibt wichtigere Dinge, über die ich mir den Kopf zerbrechen muss.
Zum Beispiel ist Sebast jetzt schon fast eine Woche überfällig. Das Schiff, das Argaol schicken wollte, um uns abzuholen, ist nie aufgetaucht, und es erscheint auch nicht, wenn Kat und ich am Strand nach irgendeinem Segel am Horizont Ausschau halten. Die Owauku versichern uns, dass sie es mir sagen würden, wenn ein Schiff ankäme. Ich glaube ihnen das schon deshalb, weil jedes Schiff, das in die Nähe der Insel käme, sofort von ihnen belagert würde, weil sie mit der Besatzung Handel treiben wollten.
Es sollte mich weit mehr bekümmern, als es das tatsächlich tut. Nur bin ich mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass Argaol schlicht sein Wort nicht gehalten hat. Teji liegt nach wie vor in der Nähe vielbefahrener Handelsrouten. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass nicht irgendwann tatsächlich ein Schiff hier anlegen würde. Wenn das bedeutet, dass ich noch ein paar Wochen lang mit einem Lendenschurz bekleidet mit Kat über den Strand spazieren kann, die, wie ich sagen muss, ziemlich hinreißend in ihrem knappen Lendenschurz aussieht, soll es mir recht sein. Natürlich bin ich ein bisschen enttäuscht, dass nicht mehr Menschen auf der Insel leben.
Merkwürdig ist nur, dass ich mich nicht daran erinnern kann, ob die Owauku mir schon erzählt haben, was mit ihnen passiert ist.
Ich jedenfalls bin damit zufrieden, den größten Teil meiner Zeit mit meinen Gefährten zu verbringen. Auch wenn das offensichtlich nicht auf Gegenseitigkeit beruht.
Asper hat nur barsche Worte für mich übrig und ist mir gegenüber recht kurz angebunden und ruppig, aber ich gehe davon aus, dass sie zurzeit alle anderen ähnlich behandelt. Warum, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass irgendetwas passiert sein muss, als sie sich um meine Wunden gekümmert hat, etwas, das allgemein ziemlich vage der angespannten Situation und ihrem Mangel an Kleidung zugeschrieben wird. Denaos hat mir verraten, dass etwas
ganz Ähnliches passiert ist, kurz nachdem sie aufwachte und mit Draedaeleon sprach. Er hatte keine Zeit, sich um sie zu kümmern; wie auch, da er kurz danach die Bekanntschaft der Owauku machte und feststellte, dass sie eine unersättliche Vorliebe für menschliche Hosen hatten.
Auf jeden Fall konzentriert er jetzt seine Aufmerksamkeit ausschließlich auf Asper, und zwar ungefähr so, wie ein Voyeur sich vor allem für das offene
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