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Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
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er Schlürfen, hörte, wie jemand mit einer Verzweiflung Wasser trank, die den Verängstigten, den Kranken, den Sterbenden eigen war. Er erinnerte sich an dieses Geräusch.
    Und als er sich umdrehte, erinnerte er sich auch an das Mädchen. Sie starrte ihn vom Becken aus mit aufgerissenen Augen unter ihrer zerzausten schwarzen Mähne an. Ihr Gesicht war noch schmutziger als zuvor, rußverschmiert. Sie hatte ihre Hand in das heilige Becken getaucht, und ihre spröden Lippen schimmerten vom heiligen Wasser.
    Nein, rief er sich ins Gedächtnis. Es ist das Wasser eines Gefängnisses, das Wasser, welches Daga-Mer festhält. Du sollst ihn befreien, erinnerst du dich? Erinnerst du dich?
    Selbstverständlich erinnerte er sich. Aber er konnte sich auch an sie erinnern, an ihre Furcht, ihre Verzweiflung, ihren Namen. Er öffnete seinen Mund, um ihn auszusprechen.
    »Ist mir egal«, kam Kasla ihm zuvor. »Es ist nicht heilig. Wäre es heilig, hätte Sie etwas getan.« Das Mädchen deutete auf die zertrümmerte Statue von Zamanthras. »Und jetzt sind fast alle tot! Erstochen, verblutet oder von diesen... diesen Monstern gefressen! Und Sie hat nichts dagegen unternommen!«
    Der Mund folgte ihrem ausgestreckten Finger mit seinem Blick. Zamanthras’ steinerne Augen starrten ihn ausdruckslos an. Kein Mitgefühl, keine Entschuldigung, kein Flehen, dass er nicht tun möge, was er tun musste. Er blickte auf die Phiole in seiner Hand.
    Zähe, dicke Flüssigkeit schwappte darin. Mutters Milch.
Die letzte sterbliche Essenz von Ulbecetonth, alles, was nötig war, um Daga-Mer aus einem ungerechten Gefängnis zu befreien. Er warf einen Blick auf das Becken, und als würde er ihm antworten, ertönte ein schwacher Herzschlag aus einer unsichtbaren Tiefe unter dem gewaltigen Kreis aus Wasser.
    Ein ferner Puls, der ihn erinnerte, mit einem regelmäßigen, trommelnden Rhythmus.
    Er beugte sich näher zum Becken, als wollte er hineinblicken, als wollte er sehen, was er da im Begriff war freizusetzen. Er sah jedoch nur sein Spiegelbild, seine schwache Sterblichkeit, verzerrt und aufgelöst, als Wellen die Oberfläche kräuselten. Kasla, das Mädchen, trank erneut, schlürfte geräuschvoll die Heiligen Wasser der Göttin ihrer Stadt.
    Der Mund wich angewidert zurück. Natürlich war es nur Wasser, aber er hatte erwartet, dass sie mehr Respekt für das zeigte, was ihr Volk verehrte.
    Aber ihr Volk lag draußen im Sterben. Keine Göttin antwortete auf ihre Gebete, wie auch keine Göttin auf seine Gebete geantwortet hatte. Das Mädchen trank, als wäre jeder Tropfen der letzte, der ihre Lippen berührte, als brauchte sie vor niemandem sonst Angst zu haben. Sie war allein, ohne Volk, ohne einen heiligen Mann, ohne eine Göttin.
    Das Menschlichste wäre, sie alle zu befreien, sagte er sich; die Sünden der Erinnerung von ihnen zu nehmen und die qualvolle Last von ihren Schultern zu nehmen, die eine stumme Göttin ihnen aufgebürdet hatte. Um sie zu befreien, würde er Daga-Mer befreien und damit sich selbst. Sein Schmerz wäre vergangen, seine eigenen Erinnerungen verloren, so wie auch die des Mädchens. Und wenn sie nichts mehr hatten, woran sie sich erinnern mussten, wären sie frei, es würde nichts mehr geben, sie wären ...
    Allein ...
    Sie sah hoch, voller Panik, als er sich ihr näherte. Sie wich von dem Becken zurück.
    »Geh weg!«, zischte sie. »Ich habe nichts Falsches getan! Ich war durstig! Die Zisternen, sie sind ... diese Dinger haben aus ihnen getrunken. Ich brauchte Wasser. Ich musste überleben.«
    Der Mund blieb vor ihr stehen und streckte eine Hand aus. Er hatte kein Messer darin.
    »Viele Leute müssen das.«
    Sie starrte seine Hand misstrauisch an. Er widerstand dem Drang, sie zurückzuziehen, damit sie nicht die Schwimmhäute sah, die bereits zwischen seinen Fingern wuchsen. Er widerstand ebenfalls dem Drang, sich zum Becken herumzudrehen und die Milch der Mutter hineinzuwerfen. Aber er spürte den Drang, das Bedürfnis, seine Aufgabe zu erledigen.
    Aber er konnte sich einfach nicht daran erinnern, warum er sie allein lassen sollte.
    Kasla nahm zögernd seine Hand, und er zog sie auf die Füße. Sie lächelte ihn an. Er erwiderte das Lächeln nicht.
    »Wir sind beide ungesehen hier hereingekommen«, erklärte er und drehte sich zu den zertrümmerten Portalen des Tempels um. »Wir können auch den anderen helfen, hierherzukommen, bis die Langgesichter verschwunden sind. Hier gibt es genug zu trinken.«
    »Diese Wasser sind

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