Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
geschnitzt wurden, tranken reichlich von shictischem Blut, das bei ihrer Verteidigung vergossen wurde. Sie trugen die Erinnerungen an die Toten in sich, als ewige Mahnung an die Pflichten, die jedem Shict oblagen.
Als Kataria die weiße Feder anstarrte, die an dem Stock befestigt war, vermutete sie, dass die Macht des Fürsprechs wahrscheinlich erheblich einfacher gestrickt war.
Inqalle verseuchte ihre Gedanken mit Worten und Ideen gleichermaßen. Sie hatte sich mit dem Heulen in ihren Kopf geschlichen und ihre Zähne in Katarias Gedanken geschlagen. Sie konnte sie immer noch dort fühlen.
Aber so schlimm war das gar nicht.
Inqalles Worte klangen nur deshalb nach, weil die Wahrheit immer wie Gift wirkte: War sie einmal injiziert, konnte man sie nicht so einfach loswerden, bis die notwendigen Schritte getan worden waren, um sie zu heilen. Kataria wusste das, wie sie auch wusste, dass alles, was Inqalle gesagt hatte, der Wahrheit entsprach.
Schon viel zu lange hatte sie sich damit zufriedengegeben, sich einzureden, sie wäre eine Shict, obwohl sie so gar nicht wie eine handelte. Wie konnte sich eine Shict eine Shict nennen, wenn sie stundenlang aufs Meer hinausblickte, es betrachtete...?
Nein, du hofftest. Du hast gehofft, dass einer von ihnen am Strand auftauchte und du wieder so weitermachen konntest wie vorher. Diese Tage sind jedoch vorbei. Du wolltest doch immer, dass sie vorbei sind? Stimmt’s?
Sie verzichtete darauf, sich eine Antwort zu geben.
Vielleicht ... vielleicht ist das ja ein Geschenk von Riffid, sagte sie sich. Vielleicht kannst du dich so vor Inqalle beweisen. Nein, nicht vor Inqalle, sondern vor dir selbst. Sie schüttelte den Kopf. Nein, nicht vor dir selbst ...
Sie warf einen Blick auf die weiße Feder und runzelte die Stirn.
Jedenfalls nicht nur vor dir selbst.
Das Fürsprech wog schwer in ihrer Hand, schien begierig darauf, ahnungslose menschliche Schädel zu zertrümmern. Der Stock erinnerte sie daran, warum dies der richtige Weg war. Er erinnerte sie an die Gefühle, die sie in der Gesellschaft ihrer Gefährten empfunden hatte. Meiner ehemaligen Gefährten, verbesserte sie sich.
Sie hatten sie infiziert, sie taub gemacht für das Heulen. Sie hatten ihr etwas genommen. Und auf diese Art und Weise würde sie es sich zurückholen.
Sie hatte ihre Spur schon vor einiger Zeit gefunden. Sie würde ihr folgen und sich auf die Gefährten stürzen, wenn sie nicht aufpassten. Zwei schnelle Schläge direkt unterhalb der Schädelbasis, und sie würden auf der Stelle sterben. Sie würden sie nicht einmal fragen können, warum. Du schaffst das, sagte sie sich. Wenn sie den Patrouillen der Langgesichter aus dem Weg gehen konnte, konnte sie sich an sie heranschleichen. Sie konnte sie töten.
Wenn du das könntest, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf, hättest du es schon vor langer Zeit getan.
Sie schüttelte den Kopf und knurrte.
Aus dem Wald antwortete ein ganz ähnliches Knurren.
Sie erstarrte, als sie die Schritte hörte. Ihre Ohren zuckten, drehten sich von links nach rechts und nahmen jeden Laut wahr. Schwere Schritte erschütterten den Boden; die Kreatur ging mit der lärmenden Unachtsamkeit eines satten Raubtieres. Sie schnüffelte, schnaufte und witterte mit geweiteten Nüstern. Das Grollen schwoll plötzlich zu einem Kreischen an. Gänsehaut lief Kataria über den ganzen Körper.
Das Sikkhun, dachte sie. Sie haben etwas von einem Sikkhun gesagt. Sie schluckte schwer. Was zum Teufel ist ein Sikkhun?
Die folgenden Geräusche machten ihr klar, dass sie das vermutlich gar nicht so genau wissen wollte. Sie hörte, wie Haut zerfetzt wurde, und der Gestank von Blut stieg ihr in die Nase. Dann folgte ein ekelhaftes Schlürfen, Fleisch, das von Knochen getrennt und von kraftvollen Kiefern zerkaut wurde. Blut, das auf die Erde tropfte wie dicke Regentropfen. Ein Knochen, der brach, zermalmt und verschlungen wurde.
Und bei jedem Atemzug stieß diese Kreatur ein kurzes trällerndes Keckern aus.
Kataria faltete die Ohren an den Kopf, als sie es nicht mehr ertrug hinzuhören. Sie ließ sich lautlos auf Hände und Füße sinken und verschwand im Unterholz, überließ das Sikkhun seinem grauenvollen Festmahl.
ja, dachte sie unwillkürlich, so grässlich grauenvoll. Wie gut, dass du dagegen so etwas Anständiges tust, wie deine Gefährten zu ermorden, du schwaches, kleines ...
Sie faltete ihre Ohren noch enger an ihren Kopf, verschloss sich allen Geräuschen, inneren und äußeren,
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