Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
sie auf genau diese Antwort gehofft, nahm sie geschmeidig Kampfhaltung ein, hielt die Griffe der Äxte locker in den Händen, als wäre sie mit einer Waffe in jeder Hand geboren worden.
Etwas in ihm spannte sich an, hob sein Schwert und zwang ihn zu einer Verteidigungshaltung. Etwas in ihm zwang seine Augen dazu, ihre Haltung nach einem Schwachpunkt abzusuchen, nach einer empfindlichen Stelle, in die man ein scharfes Stück Stahl rammen konnte. Etwas in ihm lächelte.
Es kam nicht zum Kampf.
Denn in dem Moment, wo sie beide einen Schritt vorwärts taten, bebte die Straße unter ihnen. Der Fels erzitterte, und Granitsplitter klapperten über das Pflaster, als jemand gegen den Stein hämmerte.
Von unten.
Etwas Großes.
Es schlug erneut zu, hämmerte gegen die Pflastersteine. Es krachte, als die alten Steine brachen. Risse bildeten sich unter ihren Füßen und wurden innerhalb von Sekunden zu gewaltigen Spalten. Einen Atemzug später sah Lenk zu Kataria. Sie blickte hoch, streckte eine Hand aus und sagte etwas.
Er konnte sie nicht hören, weil das Geräusch der zerberstenden Steine zu laut war. Im nächsten Moment fiel er in die Dunkelheit unter sich.
» LENK !«
Ihre Stimme wurde von dem Abgrund verschluckt, der auch ihn verschluckt hatte. Ihr Arm war viel zu kurz. Und ihre Augen, tränenüberströmt und nutzlos, konnten ihn nicht sehen.
»Sieh nicht hin, kleine Schwester«, flüsterte jemand aus weiter Ferne und gleichzeitig viel zu nah. »Inqalle bringt die Sache zu Ende. Avaij beschützt dich. Und ich beobachte dich.«
Sie hörte ihn, wusste sofort, wo er sich befand, als sie zu den Korallen blickte. Naxiaw stand da, mit ausdruckslosem grünem Gesicht, die Arme über der Brust verschränkt. Er betrachtete sie gleichgültig.
Sie konnte nicht einmal daran denken, ihm mit dem Heulen zu antworten. Ebenso wenig dachte sie daran, ihn anzuschreien, ihn anzuflehen, Inqalle zurückzurufen, ihn um irgendetwas zu bitten. Sie ließ einfach zu, dass er sie beobachtete.
Als sie aufstand.
Als sie zum Rand des Abgrundes ging.
Als sie hineinsprang.
17
DAS RESERVOIR
Asper starrte auf ihre Hand.
Siebenundzwanzig Knochen, siebzehn Muskeln, fünf Fingernägel, alles umwickelt von einer Hülle aus Haut und feinem Haar, und das in einem, wie sie sich selbst überzeugt hatte, großartigen Entwurf, erwiderten ihren Blick. Sie starrte die Hand mit einer Art von erwartungsvoller Intensität an, wie jemand, der auf einen Besucher wartet, eine Tür anstarrt, als hoffte sie, ihre Hand würde sich einfach öffnen und ihr zeigen, was sich noch so alles darin befand.
Ihre Hand antwortete nicht.
»Was«, flüsterte sie, »stimmt mit dir nicht?«
Die Hand schwieg, ganz gleich, wie oft sie fragte.
»Schmerzen.«
Glücklicherweise, wenn auch im absolut weitesten Sinne des Wortes, gab es mehr als genug, um sie von diesen Gedanken abzulenken. Nai lag regungslos neben ihr. Nur ihre Lippen bewegten sich.
»Schmerzen«, wimmerte sie erneut.
Asper eilte an ihre Seite, wie sie es jedes Mal getan hatte, wenn das Mädchen den Mund aufmachte. Aber ohne Decken, ohne Wasser, nicht einmal mit einer Strohbandage, mit der sie wenigstens hätte vorgeben können, etwas Nützliches zu tun, hatte die Priesterin dem jungen Mädchen nur wenig anzubieten.
»Bitte«, flüsterte sie, »nicht jetzt.«
Bis auf Gebete.
»Nur noch eine kleine Weile«, flüsterte sie, ohne genau zu wissen, an wen ihre Worte gerichtet waren. »Noch nicht. Jetzt noch nicht.« Sie bekam nur eine Antwort.
»Schmerzen.«
»Verflucht, verflucht, verflucht !«, fauchte Asper. Sie zwang sich, ihre zitternden Hände anzusehen, blickte von ihrer linken zu ihrer rechten und dann wieder zur linken Hand, bevor sie beide wild schüttelte. »Tut endlich etwas!«
»Schmerzen.«
Es gab keine Medizin, Götter ließen sich nicht blicken, und diese verfluchten höllischen Arme waren überraschend wenig hilfreich. Asper sah sich in ihrer Zelle um und versuchte, irgendetwas zu finden, was ihr auch nur den Hauch einer Chance versprach. Sie fand nichts außer zwei regungslosen Körpern. Keinerlei Hilfe. Es gab nichts bis auf einen einzigen Gedanken.
Was würde Denaos tun?
»He! He, du Missgeburt!«, schrie sie, während sie sich zur Zellentür schleppte.
Die Niederling tauchte aus der Dämmerung auf. Ihr langes Gesicht starrte sie durch die Gitterstäbe hindurch verständnislos an, vielleicht auch wütend; das konnte man bei diesen Kreaturen nicht genau unterscheiden.
»Hör zu, du
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