Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
aufgerissen, zu einem langen, kreischenden Schrei, als sie zur Erde stürzte. Ihr Schädel war selbst eine Glocke, der Klang hämmerte gegen ihre Ohren, ihre Knochen, ihr Gehirn, raubte ihr die Sehkraft, und sie wand sich schmerzerfüllt auf dem Sand.
Als sie hochsah, rollten ihre Augen in den Höhlen. Einen Moment blickte sie ihn an. Dann sah sie seine Klinge, die immer größer wurde, als sie näher kam.
Er fiel auf sie, und dass die Spitze der Klinge nach unten gerichtet war, war reines Glück. Die Schwerkraft schlug zu, trieb den Stahl in ihre Brust. Es war sein Gewicht, als er sich auf den Griff stützte, welches die Klinge tiefer in ihren Körper rammte. Und es war seine Erschöpfung, seine Qual, sein Schmerz, der ihn dazu brachte, ihr in die Augen zu blicken, der dazu führte, dass er hörte, was sie mit ihrem letzten Atemzug flüsterte.
»Hat sich gelohnt. Ihretwegen.«
»Ja.«
Es war Lenk, der das sagte.
Ob es auch Lenk war, der von einer Leiche fiel und sich mühsam aufrappelte, ob es Lenk war, der weiter in die Dunkelheit schlurfte und nicht wagte, sich umzusehen, wusste nicht einmal er genau.
Sie fand ihn, nachdem sie zwischen den Toten gesucht hatte.
Nachdem sie über die Leiche derjenigen getreten war, die angeblich ihre Schwester war, nachdem sie die Skelette durchwühlt hatte, dem Blut und der Müdigkeit und den toten Stimmen in der Dunkelheit gefolgt war, fand sie ihn. Er stand zwischen den Toten, als gehörte er dorthin.
Er redete mit den Toten.
»Ich kann dich hören«, flüsterte er. »Ich kann dich hören, aber ich bin einfach so müde, und ihr scheint mir nicht wirklich zuzuhören. Was war das? Ich sagte, dass du es nicht tun könntest. Als die Zeit gekommen ist, konntest du mich nicht zwingen, es zu tun. Das ist alles, was ich sage. Du bist nicht so stark, wie du glaubst.«
Sie wandte sich nicht von ihm ab. Sie blinzelte nicht einmal. Sie hielt sich an die Entscheidung, die sie in dem Moment getroffen hatte, als sich ihr die Gelegenheit bot, ihn zu erschießen, und sie diese Chance hatte verstreichen lassen, wie seitdem so oft.
»Sie werden nicht antworten, das weißt du«, sagte sie.
Er sah sie nicht an. »Ich weiß.«
»Du musst nicht weiter mit ihnen reden.«
»Aber sie reden unablässig mit mir. Ich habe sie so oft gebeten zu schweigen.«
»Dann hör auf, sie zu bitten.«
»Bitte …«
»Hör auf, sie anzuflehen.«
»Das kann ich nicht …«
»Ich weiß, dass du es nicht kannst«, antwortete sie.
Seine Schultern sackten herunter, und er senkte den Kopf. Als er wieder sprach, klang seine Stimme eisig. »Noch mehr Tricks. Kann uns nicht mehr sagen, was wir tun sollen. Wird uns irgendwann verraten.«
Er spannte sich an, kämpfte gegen etwas an, verlor. Sie lief nicht weg.
»Ich weiß, ich weiß«, wimmerte er. »Und deshalb müssen wir töten. Immer töten. Die anderen sprachen von Verrätern, Verrat, sie wissen es. Deshalb schreien sie.«
»Du willst mich töten.«
Er sagte nichts.
»Dann tu es.« Sie warf ihren Bogen weg. »Ich werde nicht gegen dich kämpfen.«
Er verkrampfte sich, als hätte er gerade ein Messer geschluckt. Er zerrte an seinem Kopf, versuchte irgendetwas hervorzuholen, was offenbar gerade darin vorging. Der Schrei, der sich ihm entrang, stammte nicht von ihm, war anders als jede Stimme, in der er bisher gesprochen hatte.
Und als er sich zu ihr herumdrehte, hatten seine Augen keine Pupillen, waren nicht mehr weiß, sondern nur noch blau, ein Blau, das vor Wut gefroren war.
» TÖTE !«
Er warf sich ohne Sinn und Verstand auf sie, bestand nur aus hasserfüllten Schreien und wilden Schlägen. Sie sah ihm in die Augen, sah den Hass, die Rachsucht.
Sie rannte nicht weg.
Sie trat nur zur Seite.
Er wäre fast an ihr vorbeigeflogen, hätte sie ihn nicht am Hals gepackt. Sie schlang ihren Arm um seinen Nacken, drückte seine Luftröhre zusammen, als sie ihn mit einem Fauchen zurückriss.
Er schlug um sich, schlug auf ihren Arm, trat wild in die Luft. Schließlich brach er auf den Knien zusammen, atmete rasselnd, scharf, immer langsamer, immer schwächer. Aber trotzdem gab die Wut in ihm nicht nach. Ebenso wenig wie Kataria nachgab.
»Lügnerin«, würgte er erstickt heraus. »Hat mich belogen, sagte, sie würde nicht kämpfen.«
»Ich werde nicht gegen dich kämpfen«, entgegnete sie. Sie presste ihren Unterarm gegen seine Luftröhre und zog seinen Kopf dicht an sich, in einer intimen, hasserfüllten Umarmung. »Aber das hier bist nicht du. Das
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