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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Janson
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aus dem Stall, wo er Moritz ausgespannt und mit Wasser und Heu versorgt hatte. In jedem anderen Moment hätte Siggo über seinen Vater gestaunt. Dies war zwar nicht das erste Mal, dass Erik Freesen die Wohnung verlassen hatte, aber die Tatsache, dass er sich wie selbstverständlich im Pferdestall nützlich gemacht hatte, grenzte an ein Wunder.
    An diesem Abend jedoch hatte Siggo keinen Gedanken für seinen Vater übrig.
    Nun deutete Erik Freesen auf das Sofa, wo die noch immer matte Greta von Gerlinde versorgt wurde.
    Wieder spürte Siggo den unbändigen Zorn in sichaufsteigen, der ihm vorhin die Kraft gegeben hatte, innerhalb von Sekunden bei Lohmann zu sein und ihn niederzuschlagen. »Der Kerl hat versucht, sie umzubringen!« Siggo schrie jetzt. »Ich muss ihn …«
    Â»Nein!« Sein Vater packte ihn am Arm. »Oswald Lohmann ist ein Teufel. Ich werde dir erzählen, was er mir und deiner Mutter angetan hat. Dann wirst du begreifen, dass du dich von ihm fernhalten musst, damit in unserer Familie nicht noch mehr Unglück geschieht. Hör gut zu.«
    Siggo sank ermattet auf einen Stuhl. Plötzlich wollte er gar nichts mehr wissen. Plötzlich wollte er das Geheimnis nicht gelüftet wissen, hinter dem er seit Jahren her war. Doch es gab kein Entrinnen. Und während der Vater sprach, zersprang seine Welt in tausend Scherben.
    Â»Mutter«, bat Siggo, lange nachdem Erik Freesen geendet hatte und in sein gewohntes Schweigen verfallen war. »Sag mir, dass es nicht wahr ist.«
    Gerlinde senkte den Kopf, doch Siggo konnte sehen, wie ihr die Schamesröte ins Gesicht stieg. Sein Herz setzte einige Takte aus, und Greta, seine geliebte Greta, sagte mit Abscheu in der Stimme: »Wie furchtbar! Wie konnten Sie nur so lange schweigen! Warum sind Sie nicht zur Polizei gegangen? Dann säße Lohmann längst im Gefängnis und hätte mich heute Abend nicht überfallen.« Dabei sah sie niemanden im Besonderen an, aber Siggo fühlte sich plötzlich schuldig, obwohl er doch selbst gerade erst die Wahrheit erfuhr.
    Â»Mutter«, sagte er noch einmal. »Bitte.«
    Gerlinde jedoch schwieg, brach in Tränen aus und flüchtete in die Küche.
    Als er Greta kurz darauf nach Hause begleitete, lehnte sie seine stützende Hand brüsk ab. Sie war noch schwach auf den Beinen, aber offenbar konnte sie Siggos Berührung nicht ertragen. Es drängte ihn, Greta einfach an sich zu reißen, um ihr ein für alle Mal zu erklären, dass sie beide füreinander geschaffen waren. Daran konnte auch kein Oswald Lohmann etwas ändern. Weder der noch Siggos Eltern, die viel zu lange stumm geblieben waren.
    Doch er tat nichts dergleichen. Er fühlte sich so hilflos wie noch nie zuvor in seinem Leben. Allein die Erinnerung an die Angst in ihrem Blick lähmte ihn. Ich bin ein Mann, sagte er sich voller Bitterkeit. Und von Männern hat sie bislang nichts Gutes erfahren.
    Nur ein knappes Kopfnicken hatte Greta zum Abschied für ihn übrig, dann lief er zurück. Unfähig, schon wieder Vater und Mutter gegenüberzutreten, ging er in den Stall, kühlte Moritz’ geschwollene Fessel mit essigsaurer Tonerde und wartete darauf, dass es Morgen wurde.

19
    D as Pferd war längst versorgt, und Siggo saß auf einem Strohballen, fettete das Lederzeug ein und überlegte, was er danach tun könnte. Hauptsache, er war beschäftigt und musste nicht zurück in die Wohnung. Er mochte niemanden sehen. Weder Vater noch Mutter.
    Doch auf einmal erschien Gerlinde Freesen in der Stallgasse. Sie hatte ihre Fassung wiedergewonnen und stellte sich den Fragen ihres Sohnes.
    Â»Ist es wirklich wahr? Du hast ein Kind erwartet? In deinem Alter?«
    Â»Das ist fünf Jahre her, Siegmar. Ich war damals dreiundvierzig.«
    Â»Eben.«
    Gerlinde sah ihn fest an. »Es ist für eine Frau in dem Alter durchaus möglich, noch ein Kind zu bekommen. Gerechnet habe ich damit nicht. Bei deiner Geburt war ich noch sehr jung, und als in den Jahren darauf nichts geschah, habe ich mich damit abgefunden. Dennoch. Der Wunsch nach einem kleinen Mädchen war immer da.«
    Er sah den Schmerz in ihren Augen und betete im Stillen, sie würde nicht wieder weinen. Seine Mutter jedoch straffte die Schultern und fuhr fort: »Du warst damals schon in Lüneburg, um dein eigenes Geschäft aufzubauen, und dann geschah alles auf einmal.«
    Siggo wollte sich die Ohren

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