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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Janson
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rief er ihnen zu.
    Greta erzitterte in Siggos Armen. Vorsichtig führte er sie zur Kutsche zurück und half ihr hinein. Der Wallach Max war inmitten all der Aufregung ruhig wie ein Fels stehen geblieben.
    Â»Kann ich dich für einen kurzen Moment allein lassen?«
    Sie war bleich im Gesicht, aber sie nickte tapfer.
    Einmal mehr bewunderte er ihre Stärke. Sie saß kerzengerade, verlor nicht die Fassung, zitterte nicht einmal mehr und fragte nur mit leiser Stimme: »Ist er tot?«
    Â»Das will ich herausfinden.«
    Doch Siggo wusste, dass Lohmann noch lebte. Seine markerschütternden Schreie hallten über den ganzen Platz.
    Eine Traube von Leuten stand um den Verletzten herum. Als Siggo sich nach vorn gedrängt hatte, bereute er seinen Entschluss. Oswald Lohmann bot einen grauenvollen Anblick. Beide Beine waren kurz unter der Hüfte auf einer Breite von gut zehn Zentimetern wie platt gedrückt.Siggo konnte nicht erkennen, ob sie vollständig abgetrennt waren oder noch von wenigen Hautfetzen zusammengehalten wurden. Schier unglaubliche Mengen von Blut tränkten das Kopfsteinpflaster, und selbst ein ungeübtes Auge erkennen konnte, dass es mit dem Mann zu Ende ging. Einzig Lohmann dachte offenbar nicht daran, zu sterben. Er schrie immer noch, sein Gesicht war zu einer Maske aus Schmerz verzerrt, und seine Arme ruderten wie wild in der Luft. Er hob sogar den Oberkörper an, so als wolle er gleich aufstehen und davonspazieren. Erst langsam verließen ihn die Kräfte, und die Schreie wurden leiser, bis er nur noch wimmerte. Sein Glück war, dass sich ein Mann, augenscheinlich ein Arzt, um ihn kümmerte. Er hatte bereits seinen Gehpelz ausgezogen und ließ ihn zur Verwunderung der Umstehenden einfach auf den verschmutzten Boden fallen. Dann schnallte er seine seidenen Hosenträger ab und sah sich gleichzeitig die Gaffer an. Seine Wahl fiel auf Siggo. »Sie da. Helfen Sie mir.«
    Siggo blieb nichts anderes übrig, als vorzutreten. In der nächsten Sekunde kniete er über Lohmann. Sein alter Feind starrte ihn hasserfüllt an. Er schien etwas sagen zu wollen, aber aus seinem noch immer offenstehenden Mund kam kein Laut mehr. Nur sein Blick stach in Siggos Augen, bis er kraftlos die Lider schloss und das Bewusstsein verlor.
    Â»Ich muss die Stümpfe abbinden«, erklärte der Arzt, ein noch junger Mann, der eher wie ein Gymnasiast denn wie ein ausgebildeter Mediziner aussah. Schon schlang er einen Hosenträger um den rechten Stumpf, band einen Knoten, steckte ein abgebrochenes Stück vom eisernen Ring eines Weinfasses hinein und drehte es so lange, bis derHosenträger ganz straff saß. Voller Staunen beobachtete Siggo, wie die Blutung zum Stillstand kam.
    Â»Festhalten«, wies ihn der junge Arzt an, und Siggo griff zu, ohne lange zu überlegen. Mit dem linken Stumpf verfuhr der Arzt genauso.
    Eine Weile verharrten die Männer so, und Siggo dachte voller Bitterkeit darüber nach, dass nun ausgerechnet er dabei half, seinem schlimmsten Feind das Leben zu retten. Bald darauf traf eine Rettungskutsche ein. Sie wurde von zwei kräftigen Schimmeln gezogen, und zwei Männer in weißen Hosen und weißen Jacken sprangen mit einer Trage heraus.
    Der Ältere der beiden schnalzte mit der Zunge, als er Lohmanns Zustand erkannte. »Da hätte man besser den Leichenwagen kommen lassen.«
    Â»Halten Sie den Mund und kümmern Sie sich um den Verletzten«, fuhr der Arzt ihn an.
    Der Mann zuckte nur mit den Achseln. Dann verfrachtete er zusammen mit seinem Kollegen Lohmann auf die Trage. Siggo und der Arzt liefen bis zur Kutsche nebenher. »Die Stümpfe müssen auch auf dem Transport zum Krankenhaus abgebunden bleiben«, befahl der Arzt noch, bevor sich die Türen schlossen. Siggo wusste nicht, ob die beiden weißgekleideten Männer dem Befehl Folge leisten würden, und er wusste nicht, ob er sich das wünschen sollte.
    Er wandte sich ab, ging zum Brunnen und wusch sich notdürftig.
    Greta sagte nichts, als er zurückkam. Sie wartete nur schweigend ab, bis die Straße vor ihnen wieder frei war und Siggo mit der Zunge schnalzte, um Max anzutreiben. Doch diesmal, so empfand es Siggo, fühlte sich die Stillezwischen ihnen anders an. Weniger kalt, beinahe angenehm, wie bei einem alten Ehepaar, das keine Worte mehr brauchte, um sich zu verstehen. Der Schrecken über das Erlebte hatte sie einander näher gebracht. Vor dem

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