Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
als verwirrt zurück. Sie versuchte eindeutig, freundlich zu mir zu sein. Aber warum? Hatte es einen Moment der Einsicht bei ihr gegeben? Oder war ihr verändertes Verhalten das Resultat der Gespräche mit meinem Vater, wenn sie ihn besuchte? Bestimmt hatten sie schon lange nicht mehr so viel Zeit miteinander verbracht, ohne dass es um die Konditorei ging.
Ich konzentrierte mich wieder auf meine Arbeit. Der Überzug der Torte war vollständig, jetzt folgte das eigentliche Design. Ich rollte den bereitliegenden türkisfarbenen Klumpen Fondant zu einer hauchdünnen Teigplatte und stach mithilfe einer Form Rauten aus, mit denen ich die erste, dritte und fünfte Etage der Torte verzierte, sodass dort ein Rautenmuster wie bei einem Pierrotkostüm entstand. Auf die zweite und die vierte Etage klebte ich komplizierte und filigrane Muster aus goldenen Zuckerperlen. Als Abschluss setzte ich ein goldenes Krönchen, das Patrick besorgt hatte, auf die Spitze und trat zwei Schritte zurück. Morgen früh, wenn der Lieferant die bestellten Blumen ins Schloss brachte, würde ich die Torte noch mit hellgrünen Chrysanthemenblüten besetzen.
Ich sah auf die Uhr. Ich hatte genug Zeit, mich zu duschen und frisch zu machen, bevor Patrick kommen wollte.
Marie wollte mir Nudeln kochen, damit ich noch ein paar Kohlehydrate zur Stärkung bekam, und so wartete ein köstliches Mahl auf mich, als ich geduscht in die Küche trat.
Sie fragte mich noch einmal, ob sie helfen könne, und ich lehnte wieder ab. Wir hatten uns gerade mit einer Tasse Tee auf die Terrasse gesetzt, als Patrick um die Ecke kam.
»Hier bist du!«, rief er, als er mich sah.
»Warst du an der Backstube?«
Er nickte und ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Das war gestern ein aufregender Tag«, sagte er und sah mich an.
»Hm. Und morgen wird auch ein aufregender Tag«, gab ich zurück und signalisierte damit, dass er das falsche Gesprächsthema angeschnitten hatte.
Er kapierte sofort. »Ich bin gespannt auf die Torte. Du hast doch heute die Torte...?«
Was sollte er auch denken? Ich saß im Bademantel mit Frotteeturban auf der Terrasse und trank Kaffee.
»Torte? Heute?«, fragte ich also mit gespielter Überraschung und gähnte ausgiebig. »Ich bin gerade erst aufgestanden.«
Patrick riss entsetzt die Augen auf. »Aber dann müssen wir sofort …« Er stockte, als er mein Grinsen sah. »Du hast natürlich heute schon die finale deiner fabulösen Torten gebaut, richtig?«
Ich nickte. »Willst du sie sehen? Dann lass uns in die Backstube fahren.«
Er lachte. »So, wie du jetzt bist?«
»Wohl noch nie was von der berühmten Bademantel-Bäckerin Helene Bernauer gehört?«, warf Marie ein.
»Gib mir zehn Minuten«, sagte ich und flitzte ins Haus. Während ich mich rasch anzog und dann versuchte, meine noch feuchten Locken zu einer Art Frisur zu zwirbeln, hörte ich Marie und Patrick gackern. Vermutlich hechelten sie den gestrigen Tag noch einmal durch. Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Wäre ich nicht mittendrin gewesen, hätte mich dieses absurde Theater wohl auch königlich amüsiert.
Patrick war von der Torte hingerissen.
»Was hältst du davon, wenn wir noch ein paar vereinzelte Rauten mit Blattgold belegen?«, schlug ich vor.
Er stimmte mir zu, und die nächste Stunde verbrachte ich mit der Geduldsprobe, Blattgold auf einige türkisfarbene Rauten zu applizieren. Die Blättchen waren so zart, dass falsches Atmen ausreichte, um sie davonfliegen zu lassen.
»Dass du nicht ausflippst«, sagte Patrick kopfschüttelnd, der schnell aufgegeben und es mir überlassen hatte, das widerspenstige Material zu bändigen.
»Aber es lohnt sich«, murmelte ich mit angehaltenem Atem, doch das reichte schon aus, um das Blattgold an meinem Pinsel zum Flattern zu bringen.
Endlich konnten wir die Torte in den Karton bugsieren und in den Transporter tragen, der mit den anderen Torten beladen war. Patrick hatte das nachmittags schon erledigt, und Metzger Oltmanns hatte ihm freundlicherweise geholfen. Ich war begeistert.
Im Schloss wartete bereits eine Handvoll Helfer, die Models waren Gott sei Dank nirgends zu sehen. Sie trugen die Kartons mit den Torten – ängstlich von mir eskortiert – zu einem großen Tisch im Gobelinsaal im ersten Stockwerk, der sogenannten »Fürstlichen Etage«, wo ein Museumsmitarbeiter das Treiben kritisch beobachtete.
Der alte Kassetten-Parkettboden knarrte unter unseren Schritten. Ein gigantischer, mehrstöckiger Kristalllüster
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