Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
ich liebe nur dich!«
Was bisher nur verlogen gewesen war, wurde jetzt grotesk. Patrick sah aus, als verstünde er die Welt nicht mehr. Oksana hatte sich von dem brüsken Ende ihres Intermezzos erholt und schrie: »Wer ist hier eine kleine Schlampe? Du hast mich doch von deinem kleinen Sklaven aus dem Publikum holen lassen!«
»Du wärst mir doch am liebsten schon am Bierstand an die Hose gegangen. Mädchen wie dich gibt es wie Sand am Meer, aber so eine wunderbare Frau wie Helene gibt es nur einmal! Und du blöde Kuh hast mir alles kaputt gemacht!«
Gab es eine Steigerung für grotesk? Leon warf diesem Mädchen vor, ihm alles kaputt gemacht zu haben?
Wie ein Zombie schwankte Leon ein paar Schritte auf mich zu und streckte die Arme nach mir aus. Sein Gesicht war weinerlich verzogen, als er flehte: »Helene, bitte, schick mich nicht weg. Komm mit mir zurück nach Paris, unsere Wohnung ist so leer! Alles wird anders, ich verspreche es dir. Ehrlich.«
Ungelenk versuchte er, mich zu umarmen, aber ich wich zurück, bis ich mit dem Rücken an der Scheunenwand stand. Leon kam immer näher. Er stützte sich rechts und links von meinem Kopf an der Wand ab. Der säuerliche Alkoholgeruch seines Atems verursachte mir Übelkeit. Ich versuchte, ihn von mir zu stoßen, aber er war stärker.
»He, lass sie in Ruhe!«, rief Patrick, der sich aus seiner Erstarrung endlich gelöst hatte. Oksana hockte auf dem Rasen und heulte.
Ohne seine Position zu verändern, sah Leon über seine Schulter zu Patrick und gab zurück: »Ich habe dir doch vorhin schon gesagt, du sollst abhauen, du blöder Penner. Das ist eine Sache zwischen mir und meiner Braut. Nimm deine kleine Modelschlampe und verzieh dich.«
Er drehte sich wieder zu mir um und versuchte, mich zu küssen. Ich fing umgehend an zu kreischen.
KAPITEL 36
»Das war mehr so beißen, kratzen und Haare ziehen«, spöttelte Marie am nächsten Morgen, als sie mir beim Frühstück erzählte, wie sie und Marcel dazugekommen seien, Oksana heulend auf der Erde gelegen und sich Patrick mit Leon prügelnd auf dem Boden gewälzt habe, während ich geschrien hätte wie am Spieß. »Wie eine Mädchenschlägerei. Kneifen und vors Schienbein treten. Lustig sah das aus.«
»Ich fand das überhaupt nicht komisch. Irgendwann habe ich gedacht, ich bin auf einem schlechten Trip. Es wurde immer bizarrer, und der vorläufige Höhepunkt – ha, ha, kleines Wortspiel – war damit erreicht, Leon und Oksana kurz vorm Sex zu erwischen.«
»Darum beneide ich dich weiß Gott nicht«, gab Marie zu.
»Weißt du, ob irgendwer von dem Theater etwas mitgekriegt hat?« Das fehlte mir nämlich noch, dass meine Mutter oder meine Schwester davon erfuhren.
»Nicht, dass ich wüsste. Ich finde, wir haben alles äußerst diskret geregelt.«
Das stimmte allerdings. Marcel hatte die beiden Kontrahenten überraschend beherzt getrennt und war dann ohne ein Wort mit Leon verschwunden. Patrick hatte Oksana aufgeholfen, und dann waren wir zu den anderen Mädchen gegangen, die mittlerweile auf umgedrehten Getränkekisten hockten, da unser Caféstand bereits abgebaut wurde.
»Wo wart ihr denn so lange?«, hatte Chantal gemault. »Ich will endlich ins Hotel, diese Bauern hier langweilen mich.«
»Ach, halt doch die Klappe«, war Patricks Reaktion gewesen, und nach einer kurzen Verabschiedung hatte er seine Models eingesammelt und war mit ihnen Richtung Parkplatz verschwunden.
Alle Beteiligten hatten sich eilig in ihre Autos gesetzt und waren in verschiedene Richtungen gefahren – die einen nach Paris, andere ins Hotel und ich nach Hause, ins heimische Wohnzimmer, in Sicherheit. Ich hatte nur noch ein langes, heißes Bad genommen, einen doppelten Wodka getrunken und war dann schlafen gegangen.
»Ich bin so froh, dass du bei mir warst«, sagte ich, »keine Ahnung, ob ich das sonst überlebt hätte.«
»Gern geschehen, das Drama hätte ich um nichts in der Welt verpassen mögen. Ich habe ja nicht geahnt, wie aufregend dein Leben wirklich ist! Aber du hast königliche Haltung bewahrt, das muss man dir neidlos lassen.«
»Das war nur Schockstarre, nichts weiter.«
»Hat äußerst souverän gewirkt. Aber dass ausgerechnet du deinen Ex mit dieser ukrainischen Hungerkünstlerin erwischen musstest, ist schon echt harter Tobak. Wie hat er denn reagiert?«
»Abartig. Erst hat er Oksana die Schuld zugeschoben, dann hat er mich angefleht, zu ihm zurückzukommen. Und als er handgreiflich wurde und versucht hat, mich zu
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