Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
zweiteilig«, sagte sie, »auf dem Bügel hängt noch was.«
Mit ihrer Hilfe zog ich das Kleid hoch und schlüpfte in die Ärmel. Christin zog den langen Reißverschluss am Rücken zu, und der Stoff umschloss meinen Körper wie ein Handschuh. Erst vor dem Spiegel sah ich die Details: Der tiefe, viereckige Ausschnitt war mit einem Streifen Kunstpelz besetzt, ebenso der Saum der schmalen, langen Ärmel. Das Kleid saß eng und war an beiden Seiten bis zum Knie geschlitzt, sonst hätte ich darin lediglich trippeln können wie eine Japanerin im Kimono. Von vorn sah es gut aus, aber ich wollte mir nicht ausmalen, wie mein Hintern in diesem engen Futteral wirkte!
Christin stand hinter mir und hielt etwas hoch, das wie ein Cape aussah.
»Gott sei Dank!«, rief ich, »unter dem Cape kann ich meine Speckrollen verstecken!«
Aber sie legte das vermeintliche Cape zu meiner Überraschung um meine Taille. Das breite Bündchen bestand ebenfalls aus Kunstpelz und verlängerte sich zu zwei Bändern, die Christin seitlich vorn zu einer Schleife band. Der bodenlange, üppige Rock war vorne nicht geschlossen, bedeckte aber zu meiner Erleichterung mein Hinterteil.
»Ein zweiter Rock – das ist ja genial«, sagte Christin und ging um mich herum, »ich finde übrigens nicht, dass du deinen Po verhüllen musst. Du hast eine sehr schöne Figur.«
»Klar, wenn man auf Nilpferde steht.«
»Quatsch. Sicher bist du kurvig, aber an den richtigen Stellen. Und du hast ein schönes Dekolleté, das man übrigens erst bekommt, wenn man ein paar Pfunde zu viel hat. So, und jetzt die Ohrringe und der Lippenstift.«
Es wurde tatsächlich Blutrot, und jetzt erkannte ich mich endgültig nicht mehr wieder.
»Sehr schön«, sagte Christin zufrieden und fing an, einzupacken. »Ich bin dann weg, schönen Gruß an Patrick. Wir sehen uns morgen.«
Ich ging zurück zu dem Raum, in dem die Torten aufgebaut waren. Patrick schraubte an einem Scheinwerfer, sonst war niemand zu sehen.
»Wo sind denn die anderen?«, fragte ich.
Patrick sah zu mir, und ein Strahlen breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Du siehst wie eine Königin aus. Die Königin der Torten.«
Er kam näher und nahm meine Hände, und für einen Moment dachte ich, er würde mich küssen, aber ich hatte mich geirrt. Er ließ mich wieder los.
»Gefällt dir das Kleid?«
Ich nickte. »Aber wo hattest du es so schnell her? Hast du es nachts heimlich im Hotelzimmer genäht?«
Er lachte schallend. »Selbst wenn ich gut nähen könnte – was ich nicht kann -, wäre das kaum zu schaffen gewesen. Nein, ich kenne in Berlin zwei Schwestern, beide Schneidermeisterinnen und längst im rentenfähigen Alter, die noch immer aktiv sind und ein perfekt eingerichtetes Atelier haben. Die beiden nähen meine Kollektion und haben mir zuliebe Sonderschichten eingelegt. Ein Botendienst hat das Kleid gestern gebracht.«
Ich strich mit den Händen über den weichen Samt. Womit ich niemals gerechnet hatte: Ich fühlte mich wohl. Die Robe war unglaublich bequem, da der Stoff leicht nachgab.
»Es ist wunderschön. Danke, Patrick.«
»Nein, Helene, ich danke dir. Und jetzt machen wir ein paar Bilder.«
Patrick hatte die Kulisse mit weichem Licht ausgeleuchtet. Ich folgte seinen Anweisungen – was hätte ich auch sonst tun sollen? Chantal, Fiona und Oksana würden jetzt wahrscheinlich eine Abfolge von Dutzenden Posen abspulen, aber ich stand nur verlegen da und wusste nicht, wohin mit meinen Händen. Patrick dirigierte mich geduldig durch die Aufnahmen, mal stand ich neben dem Tisch, mal saß ich im Sessel, was mir übrigens nicht so behagte, weil ich fürchtete, meine Speckrollen würden dann unbarmherzig zum Vorschein kommen. Wenn er wollte, dass ich lächelte, machte er Faxen und zog Grimassen, bis ich nicht mehr anders konnte.
»So!«, rief er schließlich, »ein Motiv noch. Nimm bitte ein Petit Four von der Pyramide und tu so, als wolltest du hineinbeißen. Eins in Pink, bitte.«
Der Turm, an dem wir so lange gearbeitet hatten, in der Nacht, als wir in der Backstube getanzt und uns geküsst hatten. Ob er auch gerade daran dachte? Ich pickte ein Törtchen in der gewünschten Farbe heraus und posierte damit. Das Törtchen direkt vor meinem Mund machte mir Appetit. Ich biss herzhaft hinein, und der Auslöser von Patricks Kamera klickte wie verrückt.
Schließlich ließ er die Kamera sinken. »Ich habe noch einen Wunsch, Helene.«
»Noch einen?«, rief ich in gespielter Empörung. »Findest du
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