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Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)

Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tortenkönigin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Conrad
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dumme Geplapper.«
    »Lass mich raten: Sie zerreißen sich über mich das Maul.«
    Christin grinste. »Du bist der Teufel persönlich, und du nimmst anderen Frauen die Männer weg.«
    »Ha.«
    Sie winkte ab. »Mach dir nichts draus. Heute bist du die Hexe, morgen ist es eine andere. Chantals Toleranzschwelle ist nicht sehr hoch, um es mal höflich zu formulieren. Patrick muss nur mit einer Frau sprechen, dann dreht sie schon durch.« Sie zwinkerte mir zu und sah vorsichtig hinter sich, bevor sie flüsterte: »Allerdings habe ich es noch nie erlebt, dass Patrick eine private Fotosession gemacht und eigens dafür ein Kleid geschneidert hätte. Er war sehr aufgeregt, weil er nicht wusste, ob dir das Kleid gefallen würde.«
    Irgendwer rief nach ihr, und sie flitzte los. Patrick war also aufgeregt gewesen. Schön zu wissen, brachte mich aber auch nicht weiter. Ich verzog den Mund und versuchte, die Ruhe zu bewahren.
    Ich arbeitete konzentriert weiter. Am besten an nichts denken, schöne Blüten aussuchen, Federn drapieren und sonst nichts. Als ich fertig war, stand ich ratlos neben dem Tisch und wusste nicht mehr, was ich machen sollte. Neun der Torten waren bereits benutzt worden, und zwei von Patricks Assistenten kamen, um die dunkelblaue Torte zu holen.
    »Möchtest du mitkommen und zugucken?«, fragte der eine der beiden und nickte mir freundlich zu.
    Klar, warum eigentlich nicht. Ich stiefelte hinter ihnen her. Sie schoben einen Rollwagen zwischen sich, auf dem die Torte leise schwankte. Mir wurde ein Platz im Hintergrund zugewiesen mit der Bitte, die Aufnahmen nicht zu stören. Was glaubten die, was ich tun könnte? Mich ins Bild stellen und in die Kamera winken?
    Die Torte wurde auf den reich verschnörkelten, barocken Tisch in der Mitte des Motivs gestellt. Blaue und grüne Weintraubendolden mit Laub bedeckten den Tisch um die Torte herum. Den Hintergrund bildete eine dunkelgrün bespannte Wand.
    Chantal stolzierte ins Bild. Ihr blondes Haar war zu einer duftigen, goldenen Wolke toupiert. Sie trug ein mitternachtsblaues, enges Kleid, vorne sehr züchtig und hochgeschlossen, aber am Rücken tief ausgeschnitten. Sie war ganz hell geschminkt, mit blassen Lippen und Wimpern. An ihren Ohren funkelten weiß glitzernde, pompöse Gehänge. Die Eiskönigin betrat die Arena.
    »Schneidet mal einer ein Stück Torte heraus und besorgt eine Kuchengabel?«, rief Patrick. »Chantal soll so tun, als würde sie die Torte essen.«
    »Was? Ich soll die Torte essen?«, empörte Chantal sich sofort.
    »Nein, du sollst so tun, als ob«, erklärte Patrick in der Reloaded-Version der Szene mit mir einen Abend zuvor, nur klang er jetzt wesentlich ungeduldiger als gestern.
    Chantal verzog angeekelt das Gesicht. »Dass du mir das zumutest, Patrick, in meinem Zustand. Mir wird schon übel, wenn ich diese schreckliche Torte nur neben mir stehen habe. Genauso rund und fett wie die Frau, die sie gemacht hat.«
    »Chantal!«, rief Patrick scharf. »Du nimmst den verdammten Teller und tust verdammt noch mal so, als wäre dieses Stück Torte die Erfüllung all deiner Sehnsüchte. Und lass Helene aus dem Spiel.«
    » Lass Helene aus dem Spiel «, äffte sie ihn nach, »du solltest dich mal hören. Der edle Herr Ritter!«
    Patrick ging nicht weiter darauf ein, sondern befahl nur knapp: »Konzentration.«
    Kaum hob er die Kamera, funktionierte Chantal wie ein Roboter. Es war exakt so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Sie nahm eine Pose ein, verharrte für ein paar Sekunden, nächste Pose, ein paar Sekunden innehalten, andere Pose. Und immer so weiter. Patrick gab leise Anweisungen, und wenn er sie fröhlich haben wollte, war sie fröhlich – oder ernst oder nachdenklich. Nur wegen der Torte blieb sie widerspenstig. Ich sah ihre Nasenflügel beben, als Patrick sie aufforderte, für eine Nahaufnahme an dem Stück Torte zu schnuppern.
    »Das war’s«, rief er schließlich, und Chantal feuerte den Teller auf den Tisch und stürmte weg.
    Patrick barg sein Gesicht in den Händen. Er wirkte müde und traurig. Plötzlich hob er den Kopf und drehte sich um. Wir sahen uns in die Augen, und er kam auf mich zu. Für einen kurzen Moment spürte ich den Impuls wegzulaufen, aber es wäre sowieso zu spät gewesen.
    »Helene«, sagte er bittend, »können wir reden?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Patrick, worüber auch? Du hast jetzt eine Verpflichtung Chantal gegenüber. Nenn mich altmodisch, aber so sehe ich es.«
    Er versuchte nicht, mich umzustimmen.

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