Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
»Aber du nimmst das Kleid an, ja? Ich möchte es dir schenken.«
»Ich … gern. Ich werde es immer in Ehren halten, und wer weiß, vielleicht bekomme ich ja mal einen Pokal für mein Schwarzbrot oder meine Mohnbrötchen, dann ziehe ich es an.«
»Ich lasse es dir gleich bringen. Sehen wir uns später noch?«
Wieder schüttelte ich den Kopf. »Nein, Patrick, nicht, wenn es nicht unbedingt sein muss. Brauchst du mich noch?«
Täuschte ich mich, oder füllten seine Augen sich mit Tränen?
Er blinzelte, und die Tränen waren verschwunden.
»Ich würde am liebsten sagen, dass ich dich unbedingt noch brauche, aber das gilt nur für mich privat.« Er seufzte. »Ich kann dich nicht aufhalten, wenn du gehen möchtest. Ich kann dich sogar verstehen.«
»Danke. Ich wünsche dir alles Gute, Patrick.«
»Ich dir auch, Helene.«
Und dann drehte ich mich um und ging.
Am nächsten Morgen rief ich meine Mutter an und meldete mich krank. Dann heulte ich drei Tage lang durch.
KAPITEL 39
Mein Leben ging weiter, und hätte es nicht dieses Kleid in meinem Schrank und die Porträts von Marie und mir an der Wand gegeben, hätte ich mir einbilden können, Patrick sei nie ein Teil davon gewesen.
Ein einziges Mal hatte ich die Robe noch getragen: um sie Marie vorzuführen, die mich beinahe ehrfürchtig bestaunt hatte. Meine Rechnung war per Post an Patrick gegangen, und er hatte umgehend das Geld überwiesen.
Geschäft abgeschlossen.
Um mich abzulenken, löste ich den Haushalt von Oma auf. Ich musste weinen, als ich eine Hutschachtel fand, in der sie jede Postkarte und jeden Brief gesammelt hatte, die ich ihr je geschrieben hatte. Wie ihr Schmuck zwischen Susanne, unserer Mutter und mir aufgeteilt werden sollte, hatte sie genau festgelegt. Den Rest ihrer beweglichen Habe – bis auf ein paar Erinnerungsstücke – spendeten wir an gemeinnützige Organisationen.
Paps kehrte nach vier Wochen Kur nach Hause zurück. Er war gerührt, als er sah, dass ich ein paar Erinnerungsstücke an seine Mutter für ihn gesichert hatte, bevor alles abtransportiert worden war. Paps durfte höchstens vier Stunden am Tag in der Backstube arbeiten, und obwohl er protestierte und behauptete, Bäume ausreißen zu können, achteten meine Mutter und ich streng darauf, dass er sich daran hielt.
Aus purer Langeweile begann er – zunächst heimlich – damit, Omas Räume zu renovieren. Als meine Mutter ihn erwischte und ihm eine Szene machte, sagte er nur: »Du weißt doch, Waltraud, die Ärzte haben gesagt, ich darf mich nicht aufregen!« Es war fast unglaublich, aber damit bekam er sie mundtot.
Er sähe es gern, wenn ich dort einziehen würde, sagte er mir, aber ich lehnte dankend ab.
»Schade. Du hättest hier viel Platz, und wir können alles so umbauen, wie du es gern hättest«, bot er mir hoffnungsvoll an.
Ich war gerührt, blieb aber bei meiner Entscheidung.
»Ich fühle mich wohl bei Marie, Paps. Ich bin froh, dass ihr in meiner Nähe seid, und ich arbeite gern mit dir und Mutti zusammen. Ich finde, wir sind mittlerweile ein gutes Team.«
Er nickte versonnen.
Einiges hatte sich verändert, seit mein Vater zusammengebrochen war. Meine Eltern gingen aufmerksamer und liebevoller miteinander um, und meine Mutter zeigte eine weiche, freundliche Seite, die sie bisher erfolgreich verborgen hatte. Vielleicht hatte ihr der Infarkt gezeigt, wie schnell jegliche Gelegenheit vorbei sein konnte, nett zueinander zu sein.
»Warum vermietet ihr die Wohnung nicht an Feriengäste? Es gibt genug Urlauber, denen es in den Küstenorten zu überlaufen ist.«
Nach einigen Diskussionen entschieden meine Eltern sich, es so zu machen, und übertrugen es zu meiner großen Freude mir, die Wohnung einzurichten.
Sogar mit Sven war ich einmal ausgegangen. Er hatte für unser Date ein gutbürgerliches Lokal ausgesucht, dessen Speisenkarte mir alle Mühe bereitete, etwas zu finden, das nicht in dicker Sauce ersoff. Die Essensgebirge, die sich an den Nachbartischen auf den Tellern und Platten zeigten, ließen Schlimmes erahnen.
In keinster Weise war ich jedoch auf den Sven vorbereitet, der mich erwartete, als das Essen serviert war: Während er wie eine Maschine seinen Schweinebraten mit Klößen und Rosenkohl in seinen Schlund schaufelte und die Sauce von seinem Kinn tropfen ließ, nörgelte er ohne Unterlass wie ein verzogenes Kind, bei seiner Mama – er nannte sie tatsächlich so – schmecke das aber ganz anders und überhaupt viel
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