Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
auserwählte Leute auch schon mal am Sonntagvormittag bei uns klingeln, wenn eine Tüte Paniermehl gebraucht wurde. Obwohl meine Mutter – was nicht sehr geschäftstüchtig von ihr war – die Ansicht vertrat, dass eine ordentliche Hausfrau immer ein paar altbackene Brötchen im Haus haben sollte, um sich jederzeit selbst Paniermehl raspeln zu können. Aber das nur nebenbei.
»Waltraud, Königin der Hausfrauen«, murmelte ich, während wir die Szene passierten, ohne dass meine Mutter mich bemerkt hätte.
Trotz der Musik hatte Marie mich gehört und grinste. »Was ich immer mal fragen wollte: Warum putzt sie die Fenster, wenn das doch dieser Typ schon vorher gemacht hat?«
»Das willst du nicht wissen«, sagte ich, »ihre Erklärung dafür klingt, als wäre es ein Sketch von Loriot.«
Marie lachte lauthals und bog in eine kurze Einfahrt ein, die vor einem kleinen Backsteinhaus endete.
Ich kannte das Haus schon seit jener Zeit, als noch Maries Tante Alma darin gewohnt hatte, die immer ein Stück Apfelkuchen für uns Kinder gehabt hatte. Das muss man sich vorstellen: Die Tochter des örtlichen Bäckers ist wild auf Tante Almas selbst gebackenen Apfelkuchen. Das war eins meiner bestgehüteten Geheimnisse; vermutlich wären meine Eltern tödlich beleidigt gewesen, hätten sie es je erfahren.
Tante Alma war vor vier Monaten gestorben, und seit sechs Wochen wohnte Marie in dem Häuschen, das von einem verwilderten Garten mit knorrigen Obstbäumen umgeben war.
Wir zerrten mein Gepäck aus dem Kofferraum. Marie schloss die Haustür auf, sagte: »Einfach hinter mir her«, und schleppte meinen Koffer ins Haus, durch einen schmalen Flur, und stieß dann eine angelehnte Zimmertür auf. Ich folgte ihr in den Raum und stellte aufatmend den Koffer ab.
Das Zimmer war leer bis auf ein verschnörkeltes Metallbett mit Seiten- und Rückenlehne, dessen Kopfende durch eine altmodische Stehlampe und einen Hocker als Nachttischersatz markiert wurde. Vor dem Bett lag ein gewebter Läufer auf dem alten Holzfußboden, ansonsten gab es noch einen leeren, rollbaren Kleiderständer, an dem ein paar Bügel hingen, und eine kleine Holzkommode.
Mitten auf dem Bett, das von einer dunkelroten Tagesdecke bedeckt war, lag eine große, gelbgestreifte Katze, die wir mit unserem Gepolter offenbar geweckt hatten. Sie starrte uns erschrocken an, sprang dann hastig vom Bett und flitzte aus dem Raum.
»Darf ich vorstellen: Das war Schorsch«, erklärte Marie. »Habe ich auch von Tante Alma geerbt, er gehört zum Inventar. Wir sind noch keine Busenfreunde, aber es wird langsam. Vorgestern ist er zum ersten Mal zu mir aufs Sofa gekommen.«
»Aha. Ist er nicht so von der Kuschelfraktion? Kratzt er?« Ich setzte mich müde auf die Bettkante.
Marie schüttelte vehement den Kopf. »Niemals! Aber er vermisst Tante Alma, glaube ich, und außerdem war er nicht besonders begeistert von der Renovierung. Tagelang waren Handwerker im Haus, und Schorsch war ständig auf der Flucht. Ich habe kurz daran gedacht, ihn solange mit in meine alte Wohnung zu nehmen, aber er hat sich nicht fangen lassen. Also habe ich ihn weiterhin hier gefüttert, und ansonsten war er unterwegs. Er kann durch die Katzenklappe rein und raus, wann immer er will.«
Sie sah sich um und zeigte auf den Kleiderständer. »Alles noch ein bisschen improvisiert, aber ich dachte, wir fahren morgen zum Möbeldiscounter und holen ein paar Sachen.«
Ihr Blick fiel auf mich, wie ich mit hängenden Schultern auf der Bettkante hockte, und ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. »Da rede ich und rede ich«, rief sie bestürzt, »und du kannst kaum noch aus den Augen gucken. Du willst bestimmt erst einmal duschen, oder?«
Ich war zwar viel zu erschöpft, um eigene Ideen zu entwickeln, aber zu duschen schien mir ein guter Plan zu sein.
Marie zog mich an der Hand hoch und führte mich in den ersten Stock zu einem rosa gekachelten Bad mit allen Schikanen: Dusche mit riesigem Duschkopf und Glastüren, Badewanne, Toilette in einer schulterhoch gemauerten Nische neben einem großen Handwaschbecken mit reichlich Ablagefläche.
»Wow!«, entfuhr es mir. »Das ist ja riesig!«
»Wir haben zwei kleine Räume zusammengelegt; das alte Bad und eines der Kinderzimmer.« Marie war sichtlich stolz auf ihr Badezimmer.
»Der Umbau muss Spaß gemacht haben.«
Ich wusste, dass Tante Alma ihr auch das Geld für die komplette Renovierung plus Mobiliar vererbt hatte. So war Marie in der beneidenswerten Situation
Weitere Kostenlose Bücher