Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
Dafür war er bekannt. Er war smart und gut aussehend, witzig noch dazu, und die Frauen liefen ihm scharenweise nach, wie Marie von einer Kollegin aus dem Nachbarort erzählt wurde, junge und ehrgeizige Journalistinnen, hübsche Wahlkampfhelferinnen, Praktikantinnen oder Angestellte aus seinem Büro – er hatte die freie Auswahl, und er nutzte sie, wie jeder wusste. Jeder außer seiner Frau.
Und Marie, natürlich.
Leider hatte Marie nicht so viel Glück wie ich und musste damit zurechtkommen, ihrem Ex durch ihren Job von Zeit zu Zeit zu begegnen. Das – so hoffte ich inständig – würde mir bis an mein Lebensende erspart bleiben.
»Zurück zum Anfang unseres Gesprächs«, sagte Marie plötzlich, nachdem wir beide eine kurze Zeit ganz in unsere Gedanken versunken dagesessen hatten. »Was liegt heute denn nun an?«
»Ein Besuch bei meinen Eltern jedenfalls nicht«, erwiderte ich bestimmt und fuhr schnell fort, bevor Marie dieses Thema wieder aufgreifen konnte: »Ich finde, die Terrasse vor meinem Zimmer sieht ein bisschen kahl aus. Du weißt doch bestimmt, wo wir ein paar hübsche Sachen kaufen können, oder?«
»Hm.« Maries Stirn legte sich beim Nachdenken in dekorative Querfalten. »Stapelbare Fünf-Euro-Stühle aus Plastik, oder hast du noch ein paar Scheinchen locker?«
Ich zögerte kurz, aber mein neues Zuhause, mein Zufluchtsort sollte perfekt sein – bis zum perfekten Stuhl auf meiner Terrasse.
»Geld spielt keine Rolle«, verkündete ich lässig, und keine zehn Minuten später waren wir zu einem Ort unterwegs, an dem – laut Marie – jeder Wunsch jedes Gartenfreundes erfüllt würde.
KAPITEL 10
Marie hatte nicht zu viel versprochen. Erst Stunden später luden wir unsere Beute in ihren Kombi. Um den neuen Grill einzuweihen, hielten wir auf dem Rückweg an einer Metzgerei und kauften dort üppig ein.
Die Sonne war schon hinter dem Haus verschwunden, aber ich spannte meinen neuen Sonnenschirm trotzdem auf – über dem neuen Tisch mit den beiden passenden Stühlen. Marie schraubte den Grill zusammen und machte sich daran, ihn zu entzünden, während ich in der Küche das Fleisch marinierte und Nudeln für einen Salat kochte.
»Ich gehe morgen zu meinen Eltern«, sagte ich, als wir später das Geschirr in die Küche trugen.
»Ehrlich? Denkst du, du bist schon so weit?«
»Morgen oder übermorgen … das macht doch keinen Unterschied. Ich will es hinter mich bringen.«
Am nächsten Morgen war ich dann schon nicht mehr so überzeugt von meinem Plan. Ich hatte keine besonders gute Laune, als ich aufwachte, und ganz sicher war mir nicht danach, peinliche Fragen zu beantworten. Dass es regnete, passte perfekt zu meiner miesen Stimmung.
In der Küche fand ich eine Notiz von Marie: Majestix braucht mich. Toi, toi, toi für den Besuch bei Deinen Eltern. Bis später … M.
Mist. Musste sie das Thema ansprechen?
Was war unangenehmer? Die Fragen meiner Mutter oder Maries Reaktion, wenn sie erfuhr, dass ich gekniffen hatte?
Andererseits: Sollte ich meine Handlungen davon bestimmen lassen, was andere von mir erwarteten?
Und: Wenn ich die Konfrontation mit meinen Eltern so sehr scheute, hätte ich mir dann nicht einen anderen Zufluchtsort aussuchen müssen?
Aber ich hatte die Vertrautheit der Umgebung, die ich nur hier fand und die mir Sicherheit gab, doch so dringend gebraucht.
Gut, aber diese vertraute Umgebung gab es halt nicht ohne meine Eltern und all die anderen Leute, die mich kannten …
Es gab einfach keine Lösung dafür, was das Richtige war. Ich würde der Konfrontation nicht entgehen können, egal, was ich tat oder nicht tat. Ich würde meine Eltern besuchen, beschloss ich, und zwar sofort.
Aber zuerst brauchte ich eine Tasse Kaffee. Nur nichts überstürzen, schön ruhig angehen, die Sache.
Ich steckte den Haustürschlüssel, der für mich auf Maries Notiz lag, in die Hosentasche. Sie hatte Brötchen und eine Tageszeitung geholt; also würde ich mich erst einmal durch ein Frühstück stärken und ein wenig Zeitung lesen.
Ich machte es mir auf meiner Holzbank bequem und vertiefte mich ins örtliche Käseblättchen, während ich abwechselnd vom Kaffee nippte und mein Fleischsalat-Brötchen genoss. Dann blätterte ich um, und meine Tasse stoppte auf halbem Weg zum Mund, oder meine Hand hörte auf, sich zu bewegen, ganz wie man will.
Ein großes Farbfoto sprang mir geradezu entgegen: meine Eltern, meine Oma und mein Schwager Lutz, vor dem Laden meiner Eltern. Meine Mutter und
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