Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
zwar endgültig. Und ich wollte schließlich nicht, dass die einzige Lösung sein würde, ihn mit Betonschuhen in die Seine zu werfen.
KAPITEL 16
Ich setzte mich in meinem Zimmer in den Sessel und aktivierte mein Handy. Siebenunddreißig unbeantwortete Anrufe und einundzwanzig neue Textnachrichten. Hartnäckig war Leon ja, das musste man ihm lassen.
Ich wählte Marcels Nummer, die ich noch gespeichert hatte – für Notfälle wie diesen.
»Helene!«, rief er aus, als ich mich meldete. »Ich habe schon endlos versucht, dich zu erreichen.«
Das hatte ich nicht erwartet. Davon ausgehend, dass die registrierten Anrufe alle von Leon waren, hatte ich mir die Liste der Telefonnummern gar nicht erst angesehen.
»Wieso das denn?«, fragte ich.
»Stimmt es, dass Leon heute mit dir gesprochen hat? Er ist total betrunken bei mir aufgekreuzt und hat wirres Zeug geredet, dass sein Leben ohne dich nicht lebenswert ist und so.«
Sofort wurde ich sauer.
Was sollte das denn? Wie konnte Leon es wagen, sich als bedauernswertes Opfer aufzuspielen? Das war ja wohl die Höhe!
»Na und?«, keifte ich los. »Soll ich jetzt Mitleid mit dem armen, verlassenen Leon haben, oder was? Ein bisschen viel verlangt, findest du nicht?«
»Nein, nein, so meinte ich es nicht«, versicherte Marcel eilig, »ich wollte nur wissen, ob er wirklich mit dir gesprochen hat.«
»Ja, hat er. Ich habe blöderweise nicht aufs Display geguckt, weil ich mit einem anderen Anruf gerechnet habe. Ich bin echt sauer.«
»Das ist nicht zu überhören«, sagte Marcel, »du redest ganz schön laut, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
»Darfst du. Marcel, das muss aufhören. Der soll mich in Ruhe lassen.«
Er seufzte. »Das sagst du so einfach. Leon redet von nichts anderem, als dass er dich unbedingt zurückhaben will. Um ehrlich zu sein, er trinkt jeden Tag bis zum Augenstillstand und ist nicht mehr in der Lage, im Tonstudio zu arbeiten. Eine Katastrophe.«
»Dann komme ich selbstverständlich sofort zurück.«
Offenbar hatte der Äther auf dem Weg zwischen Middelswarfen und Paris den Sarkasmus in meiner Stimme neutralisiert, denn Marcel rief: »Ehrlich?«
»Natürlich nicht , du Vollidiot! Glaubst du, ich kehre zu einem Mann zurück, der seine Geliebte zur Abtreibung zwingt?«
Stille am anderen Ende der Leitung.
»Was ist?«, setzte ich nach. »Hat es dir die Sprache verschlagen?«
»Das hat er dir erzählt?« Marcel schien es nicht glauben zu können.
»Na ja, mehr so zwischen den Zeilen, aber er nannte Madeleine eine Schlampe und behauptete, sie habe ihm das Baby unterjubeln wollen. Und aus irgendeinem bizarren Grund schien er zu erwarten, dass mir das schmeicheln würde oder so. Weil er das meinetwegen getan hat.« Ich atmete schwer. Diese Geschichte mit der Abtreibung regte mich furchtbar auf. »Habe ich also die Verantwortung dafür, oder was?«, rief ich aufgebracht. »Vielen Dank auch!«
»Helene, Helene, bitte«, sagte Marcel beschwörend. Wahrscheinlich fürchtete er um die Unversehrtheit seines Trommelfells.
»Ist doch wahr! Weißt du, was mich am meisten ärgert?«
Er antwortete nicht, also fuhr ich fort: »Dass er mich null zu kennen scheint, sonst würde er nicht denken, dass mich das zu ihm zurückbringt! Ich bin so wütend!«
»Kann ich verstehen«, versicherte Marcel eilig. »Wie geht es dir denn sonst so? Alles okay?«
Er versuchte also, das Gespräch auf neutralen Boden zu manövrieren. Gut, er sollte eine kleine Entspannungsphase haben. »Es geht mir gut. Ich wohne in einem Haus mit Garten, ich habe einen Job. Ich lebe.«
»Einen Job? Was arbeitest du?«, heuchelte er Interesse.
»Das wird dich jetzt umhauen: in einer Konditorei.«
Diesmal hatte er mitbekommen, dass meine Antwort ironisch gemeint war, denn er lachte unsicher und brummte: »Ja, hab schon verstanden, Helene.«
Genug geplänkelt, fand ich. Zeit, zum Kern der Sache zu kommen.
»Spaß beiseite, Marcel. Wir brauchen einen Plan, und du wirst mir dabei helfen. Wir denken uns jetzt eine Geschichte aus, die Leon ein für alle Mal von mir fernhalten wird.«
Schweigen, dann: »Keine Ahnung, Helene … momentan ist Leon echt fanatisch, total darauf fixiert, dich wieder zurückzukriegen.«
»Na gut. Dass ich einen neuen Kerl habe, wird er nicht glauben. Aber ich denke, dass er es nicht ertragen wird, wenn er glaubt, dass ich ihn betrogen habe. In Paris.«
»Ach, und mit wem?«
Einer plötzlichen Eingebung folgend, verkündete ich triumphierend: »Mit
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