Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
dir!«
»Das ist nicht dein Ernst«, keuchte Marcel.
»Doch. Das musst du einfach für mich tun.«
Er zögerte, dann sagte er: »Das geht nicht, Helene. Wirklich nicht.«
»Du hast wohl Angst, dass er dich dann rauswirft.«
Wieder zögerte er lange, bevor er antwortete. »Das ist es nicht.«
Er verstummte, und ich hörte nur seinen Atem.
»Was ist es dann?«
Später, nach dem Gespräch, war mir klar, dass ich diese Frage nicht hätte stellen sollen, auf keinen Fall, denn manchmal ist Unwissenheit viel gnädiger, als die ganze Wahrheit zu kennen.
»Ich bin homosexuell, Helene. Ich hatte nie etwas mit einer Frau, und werde es vermutlich auch nie haben.«
Jetzt war ich es, die keinen Mucks von sich gab. Meine Gedanken rasten. Vieles ergab auf einmal einen Sinn. Wie Marcel Leon manchmal angesehen hatte, berührt hatte …
»Helene? Bist du noch dran? Du bist doch nicht schockiert?«
»Ja … nein, natürlich nicht«, sagte ich hastig. »Aber … Marcel, darf ich dich etwas fragen?«
»Ja, natürlich.«
Ich holte tief Luft. »Du liebst Leon, nicht wahr?«
Als er antwortete, war seine Stimme belegt. »Ja, ich liebe ihn.«
»Aber wie hältst du das aus? Zu wissen, dass es keine Hoffnung gibt, das ist doch schrecklich.«
Wieder hörte ich nur seinen Atem, der irgendwie … zittrig klang. Weinte Marcel?
»Macht er dir etwa Hoffnung? Ist Leon so ein Schwein?«
»Er ist bisexuell, Helene.«
Wumm! In meinem Kopf musste eine Bombe explodiert sein, warum würde mein Gehirn sonst in kleinen Fetzen durch den Raum fliegen? So fühlte es sich jedenfalls an. Weit davon entfernt, einen klaren Gedanken fassen zu können, japste ich fassungslos: »Was? Was willst du damit sagen? Du lügst!«
»Nein, ich lüge nicht.«
Er versuchte, ruhig zu sprechen, aber ich konnte hören, dass er sehr aufgeregt war. Seltsamerweise war genau das der Grund, weshalb ich ihm sofort glaubte. Und nicht nur das. Mir wurde noch ganz etwas anderes klar, und das fühlte sich an wie ein Tritt in den Magen.
Einen Moment lang dachte ich, ich würde ohnmächtig werden, als sich eine Erkenntnis in meinem Hirn manifestierte, die derart ungeheuerlich war, dass ich kaum Luft bekam.
»Du hast ein Verhältnis mit ihm«, stieß ich hervor.
Marcel begann zu weinen, und das war mir Bestätigung genug. Wider Willen hatte ich Mitleid mit ihm, aber hier ging es um mich und mein Seelenheil – auch wenn davon gerade nicht viel übrig war. Ich musste hart bleiben.
»Okay, Marcel. Dann wirst du Leon sagen, dass ich von eurem Verhältnis weiß und dass er sich damit endgültig ins Off geschossen hat.«
»Aber dann wird er denken, dass ich es dir gesagt habe, um eine Versöhnung zwischen euch zu verhindern«, begehrte er verzweifelt auf.
Darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen.
»Das ist mir egal, Marcel, tut mir leid. Von mir aus sag ihm, dass ich Schwule hasse oder dass ich Angst vor Aids habe. Denk dir was aus. Erzähl ihm, dass ich von selbst darauf gekommen bin.«
Ich wollte dieses Gespräch beenden. Meine Hände waren schweißnass, und mir war übel.
Marcel rang hörbar um Fassung und holte tief Luft. »Ich verspreche dir, ich werde mich darum kümmern. Er wird dich nicht mehr anrufen.«
Ich ahnte, wie viel Überwindung ihn das kosten musste, aber ich glaubte ihm. Er tat mir leid, trotzdem sagte ich kühl: »Danke. Ich verlasse mich auf dich. Alles Gute, Marcel.«
Ich wartete seine Antwort nicht ab, sondern beendete das Gespräch.
Das Handy fiel mir aus der Hand und knallte auf den Fußboden. Egal. In meinen Ohren rauschte es. Leon bisexuell, und er hatte direkt vor meiner Nase nicht nur mit anderen Frauen geschlafen, sondern auch mit Marcel. Und Gott weiß, mit wem noch.
Keine Ahnung, wie lange ich bewegungslos in meinem Zimmer hockte und versuchte, das Chaos in meinem Kopf zu ordnen, aber irgendwann streckte Marie den Kopf zur Tür herein.
Ich musste schrecklich aussehen, denn ihr Gesicht veränderte sich, als sie meinen Blick auffing. Fast war es eine Neuauflage der Szene einige Stunden zuvor, als sie mich heulend im Bett gefunden hatte.
Sie schnappte nach Luft und fragte: »Was ist passiert, Helene? Du siehst aus, als ob … keine Ahnung … ist jemand gestorben oder so?«
Ich schüttelte langsam den Kopf. Rechts, links, rechts, links … ich konnte einfach nicht damit aufhören. Sie kam zu mir und berührte mich vorsichtig an der Schulter.
»Helene? Hörst du mich?«
»Leon … er ist …«, wisperte ich und verstummte
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