Die Tortenkönigin: Roman (German Edition)
kam, Patrick. Sie hat meine Entwürfe wirklich verstanden.«
»Sie hatte bestimmt genug Fantasie, sich vorzustellen, wie wunderbar deine Arbeit sein wird.«
»Aber es wäre so schön gewesen, wenn sie es selbst hätte miterleben können! Früher fand ich es immer blöde, wenn jemand das gesagt hat, ach, wenn diejenige oder derjenige das doch bloß selbst erlebt hätte, aber jetzt …«
»Dann würdest du dich auch nicht besser fühlen. Es wird in der Zukunft noch Dutzende Gelegenheiten geben, bei denen du dir wünschen wirst, deine Oma hätte sie miterlebt. Ganz sicher. Deshalb solltest du damit gar nicht erst anfangen, Helene. Zu deinem eigenen Schutz.«
»Sie hatte wirklich Verständnis für mich. Wir hätten zusammen verrückte Dinge ausprobieren können.«
»Und dein Vater versteht dich nicht?«
»Er ist nicht das Problem. Meine Mutter kann mit meinen Fantasien überhaupt nichts anfangen.«
»Wer entscheidet denn, was bei euch angeboten wird?«
Zack! Patrick legte mal eben den Finger genau auf den Punkt und stellte die zentrale Frage. Ich hatte diesem Thema bisher noch keinen Gedanken gewidmet. Aber darum ging es eigentlich, oder?
»Bisher hatte Oma noch immer ein Mitspracherecht, und sie wollte mit mir zusammen neue Ideen entwickeln«, sagte ich langsam und nachdenklich. »Paps war gerade dabei, aufzutauen, aber jetzt …«
»Entscheidet nicht derjenige, der in der Backstube steht? Mach doch einfach, was du willst, und stell es nach vorn in den Laden. Was soll sie tun? Deinen Kuchen wegwerfen?«
Ach, Patrick, du armer, unwissender, naiver Mann, du kennst Waltraud die Unfehlbare nicht. Oder Waltraud die Rachsüchtige. Du kennst nur Waltraud die perfekte Geschäftsfrau, von den paar Minuten, als du zum ersten Mal in unserer Konditorei warst.
»Das bringt sie glatt fertig«, orakelte ich düster, »oder sie wirft mich raus. Vermutlich beides.«
»Das wird sie doch wohl nicht tun. Wer soll dann in der Backstube arbeiten?«
»Patrick, ich rede von meiner Mutter. Sie hatte die beiden Aushilfen für die Backstube schon organisiert, als ich noch bei meinem Vater in der Notaufnahme saß. Glaub mir, sie ist nicht besonders gut auf mich zu sprechen, ich bin bei ihr immer noch auf Bewährung. Mein Glück ist, dass sie scharf auf die Werbung ist, die sie sich von den Fotos erhofft.«
Er zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »So gallig kenne ich dich ja gar nicht.«
»Es gibt Gründe, weshalb sie sich mir gegenüber so verhält. Das ist eine lange Geschichte, und ich mag nicht darüber reden. Tatsache ist, dass die beiden Menschen, die mir ihr gegenüber immer den Rücken gestärkt und mir Mut gemacht haben, nicht mehr da sind. Oder zurzeit nicht da sind. Und, Patrick: Susanne und Majestix kennst du ebenfalls noch nicht. Ich hoffe für dich, dass du ihnen niemals begegnest.«
Patrick wehrte sich dagegen, aber sein Drang zu lachen war stärker. Wollte er mich etwa ärgern? Ich runzelte die Stirn, und Patrick wurde wieder erst.
»Entschuldige bitte meine Heiterkeit, aber wer sind Susanne und Majestix?«
»Meine dämliche Schwester und ihr aufgeblasener Gatte. Herr und Frau Bürgermeister.«
Wieder prustete er los. »Jetzt verstehe ich! Majestix! Lässt er sich auch auf einem Schild durch sein Dorf tragen?«
Wider Willen musste ich grinsen. »Er hat andere Methoden, sich zu inszenieren. Marie arbeitet übrigens für ihn. Er, meine Schwester und meine Mutter bilden ein Trio der Unfehlbarkeit, den dreiköpfigen Zerberus der Moral, und ihr gemeinsamer Leitspruch lautet: Was sollen die anderen Leute denken?«
»Na, die denken: Wow, Helene macht grandiose Torten!«, rief Patrick aufgeräumt.
»Könnte sein. Aber könnte auch sein, dass die Leute sagen: Was ist denn bei den Bernauers los? Warum gibt es statt des guten alten Butterkuchens plötzlich so komische kleine Törtchen? Sind die verrückt geworden? Halten die sich für etwas Besseres?«
Plötzlich war er ganz ernst. »Das ist wirklich der Punkt, oder? Die denken, du hältst dich für etwas Besseres. Sie fühlen sich dir und deiner Kreativität unterlegen. Vielleicht befürchten sie, dass du fahnenflüchtig wirst und von hier weggehst, könnte doch sein. Weil dir das Dorf zu klein wird. In ihrer Angst, von dir verlassen zu werden, verhalten sie sich dir gegenüber so ablehnend, dass du irgendwann keine andere Möglichkeit mehr hast, als zu gehen. Obwohl niemand von euch das will.«
Ich starrte ihn bestürzt an. Hatte Marie ihm etwas erzählt? Aber nein,
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