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Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Die Tote am Watt: Ein Sylt-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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Warum nur immer der Wolf? Der böse Wolf? Wer hatte da eigentlich wen gequält? Ulla ihren Mann? Ulla sich selbst? Oder in Wirklichkeit die Eltern das Kind? Der böse Wolf hatte eine entsetzliche Symbolik in diese Familie getragen. Und nicht nur das! Auch Erik war in diese Symbolik hereingezerrt worden. Wer Wolf hieß, hatte dem Kind Angst gemacht. »Che ingiustizìa!«
    Das Märchenbuch lag genau in der Mitte des Tisches, der Sessel stand so, dass die rechte Armlehne mit dem Fußende des Bettchens einen geraden Winkel bildete.
    Mamma Carlotta bekam eine Ahnung von der Sicherheit, die Andresen in seiner Ordnung gewann. Sie selbst hatte ja auch die Angst vor dem Meer überwunden, als sie feststellte, dass es gar nicht so unberechenbar war, wie es auf den ersten Blick den Anschein hatte, sondern einer geheimen Ordnung folgte.
    »Auch im Bösen steckt ein Kern, der aus der Sehnsucht nach Ordnung entsteht …« Mamma Carlotta erinnerte sich an die Sätze ihrer Enkelin beim Frühstück. War das Böse in Wolf Andresen aus seiner Sehnsucht nach Ordnung erwachsen? Hatte die Zwanghaftigkeit ihn böse gemacht? Oder war aus dem Bösen ein Zwang entstanden?
    »Ein Ziel gilt auch dann als erreicht, wenn es sich ins Gegenteil verkehrt …« Auch ein Mann wie Wolf Andresen hatte sich Liebe und Geborgenheit gewünscht, Menschen, die zu ihm gehörten, die zu ihm standen. War sein Ziel, dieses gegenteilige Ziel, erreicht worden, als der Mensch, von dem er Liebe und Geborgenheit erwartet hatte, ihn nicht mehr verletzen konnte?
    »Im bösen Wolf kann ein Verfechter der Ordnung stecken …« Wolf Andresen hatte die Ordnung wieder hergestellt. Seine Ordnung! Ulla konnte ihn nicht mehr verhöhnen, sein Kind würde die Angst vor ihm verlieren und ihn wieder lieben können. Ja, so musste es sein!
    Mamma Carlotta wandte sich um, trat wieder in den Garten hinaus und lehnte sich an die Hauswand. Eine plötzliche Schwäche überfiel sie. Wenn sie daran dachte, wie oft Erik betont hatte, dass die Ordnung in Christa Kerns Haus völlig unangetastet gewesen war! Würde er ihr glauben, wenn sie ihm erklärte, dass doch jemand das Haus durchsucht hatte? Ein Täter, der die Ordnung sogar verfeinert hatte! Ein Ordnungsfanatiker wie Wolf Andresen!
    Der erste Lkw-Fahrer verließ mit einem Rollmopsbrötchen den Laden, die Kasse klingelte, Papier raschelte, Einkaufstüten knisterten. Mamma Carlotta huschte in die Küche zurück. Hektisch sah sie sich um. Sie brauchte einen weiteren Beweis. Einen, der Erik auf jeden Fall überzeugen würde.
    Ihr Blick fiel auf den Schrank, der die Geschirrtücher enthielt, Waschschüsseln, Wäscheklammern und Wäscheleinen. Christa Kern war mit einem Stück ihrer eigenen Wäscheleine erdrosselt worden, die Mordwaffe, die bei Ulla Andresen eingesetzt worden war, war nicht gefunden worden. Mit zitternden Händen öffnete Mamma Carlotta den Schrank. Die Tücher schob sie zur Seite, die Plastikschüsseln hob sie heraus. Dann griff sie nach einer Wäscheleine. Knallrot war sie, glänzend, nagelneu. Länge: 4,80 m. Diese Länge war notwendig, um bei Regenwetter am Abend eine Leine in der Fischküche zu spannen und die Geschirrtücher dort zum Trocknen aufzuhängen, damit sie am Morgen wieder einsatzfähig waren. Nagelneu war diese Wäscheleine. Noch mit einer Banderole umwickelt, auf die der Preis aufgedruckt war. Warum hatte Andresen eine neue Leine gekauft? Mamma Carlotta tastete tiefer in den Schrank hinein, ihre Fingerspitzen erhaschten ein weiteres Stück Leine. Diese Plastikschnur war genauso fest wie die neue Leine, doch sie war blau. Und obwohl sie aufgewickelt worden war, erkannte Mamma Carlotta gleich, das sie kürzer war. Sie wog weniger in der Hand, das aufgewickelte Knäuel war magerer.
    Mamma Carlotta löste es, das Knäuel fiel auseinander. Das eine Ende war sorgfältig vom Hersteller verknotet worden, während das andere Ende mit einem sauberen Schnitt abschloss. Keine Frage, jemand hatte ein gutes Stück von dieser Leine abgeschnitten. Wer? Und warum? Für Mamma Carlotta lag die Antwort auf der Hand. Der Sache mit der DNA -Analyse hatte sie ja von vornherein misstraut.
    Mit klopfendem Herzen stand sie da, das Corpus delicti in der Hand. Sie musste Erik anrufen. Sofort! Mamma Carlotta schlich sich in das winzige fensterlose Quadrat, das Andresen sein Büro nannte. Sie presste die Augen zusammen, konzentrierte sich und holte sich Ziffer für Ziffer Eriks Handynummer ins Gedächtnis. Es gab eine Eselsbrücke, das

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