Die Tote auf dem Opferstein: Kriminalroman
erraten? Hast du etwa die Flecke am Körper gesehen?«
»Erraten?«, echote Karin. »Und Flecke? Was meinst du damit? Hat das was mit unserem Fall zu tun?«
»Ja. Soweit ich es beurteilen kann, war das die Todesursache, wir nennen es allerdings nicht Kohlenstoffmonoxidintoxikation, sondern Rauchgasvergiftung.«
»Wie wenn jemand sich mit den Abgasen in seiner Garage umbringt?«, fragte Karin.
»Genau.« Als Margareta Luft holte, um weiterzusprechen, stellte Karin schnell noch eine Frage.
»Wie hat man sich diese Vergiftung denn früher zugezogen? Woher hatte man denn das Gas?«
»Was meinst du mit früher?«, hakte Margareta nach.
»Ich meine Marstrand in den Sechzigern, als es noch keine Autos gab.« Gibt es noch immer nicht, dachte sie bei sich, da Marstrandsön relativ autofrei war.
»Aha. Einen Augenblick. Ich habe hier zufällig gerade ein ehrenwertes altes Exemplar des
Gesundheitsfreunds
von 1925 liegen. Nur damit du ein Gefühl dafür bekommst, wie man die Sache damals betrachtete. Ich muss kurz den Hörer weglegen. Zwei Sekunden, Karin.« Karin hörte Margareta blättern.
»Akute Kohlenstoffmonoxidintoxikation«, sagte Margareta und fuhr fort. »›Kohlenstoffmonoxid ist der giftige Bestandteil von Leuchtgas ….‹«
»Leuchtgas?«, fragte Karin.
»Warte, das war nicht die Stelle, an die ich gedacht hatte, ich muss ein bisschen weiter unten suchen. Hier: ›Wenn Kohle verbrennt, entsteht Kohlenstoffmonoxid, was man an der charakteristischen blauen Flamme erkennt. Ein Anteil von einem oder auch nur einem halben Prozent in der Luft kann tödlich sein, wenn er über einen längeren Zeitpunkt eingeatmet wird. Alte Eisenöfen, deren Klappen geschlossen werden, während das Feuer noch brennt, werden zu Recht gefürchtet.‹ Mein Gott, was für eine herrliche Formulierung.«
»Das könnte stimmen, es ist in einem alten Haus passiert«, sagte Karin. »Du meinst, sie haben die Rauchgasklappe geschlossen, während das Feuer noch brannte? Waren die Häuser denn damals wirklich so dicht?«
»Nicht nur die Häuser. Hör mal, wie es weitergeht: ›Auch auf Fischkuttern kommen nicht selten Kapitän und Mannschaft durch die Rauchgase aus einem kleinen Ofen ums Leben.‹«
Besorgt dachte Karin an den dieselbetriebenen Heizofen auf der
Andante
.
»Wenn ich schon mal dabei bin, lese ich dir auch den Rest vor«, sagte Margareta. »›Zu einer Kohlenstoffmonoxidvergiftung kann es besonders beim Übergang von kaltem zu warmem Wetter kommen und wenn sich der Rauchabzug in der Außenmauer befindet …‹, die meinen den Schornstein, nehme ich an, ›… und unter diesen Umständen kann es sogar bei voll funktionstüchtiger und geöffneter Rauchgasklappe geschehen.‹ Willst du auch die Symptome hören?«
»Nein, ist nicht nötig. Oder doch, man weiß ja nie.«
»Zu Beginn Schwindel, Kopfschmerzen und Übelkeit. Nach längerer Einwirkung Bewusstlosigkeit. Hier steht allerdings Besinnungslosigkeit, das klingt viel lustiger. Dunkelrotes Gesicht und rote Flecke am Körper und so. Der Puls wird allmählich schwächer und unregelmäßiger, und die Atmung träge und röchelnd. Da steht noch ein bisschen mehr, aber ich glaube, nichts davon ist für dich von Interesse.«
»Und du bist also der Meinung, dass die Frau am Opferstein auf diese Weise vergiftet und dann geköpft wurde?«
»Ja. Sie war mit Sicherheit bereits tot, als der Kopf vom Körper getrennt wurde. Das erklärt auch, warum wir an der Stelle so wenig Blut gefunden haben. Das Herz hat es gar nicht mehr durch den Körper gepumpt. Ich muss aber hinzufügen, dass wir die Untersuchung der Zellproben abwarten müssen, bis wir uns ein vollständiges Bild machen können. Der Kopf könnte auch irgendwo anders abgeschnitten worden sein.«
»Du meinst, es ist nicht am Opferstein passiert?«
»Exakt. Es muss nicht dort gewesen sein.«
»Was für eine Art von Werkzeug wurde denn verwendet? Was braucht man denn überhaupt, um jemandem den Kopf abzuhacken?«
Margareta schwieg eine Weile.
»Einen Kopf kann man mit vielen Geräten abschneiden. Es dauert nur unterschiedlich lange und hinterlässt eine andere Schnittfläche. Natürlich braucht man Kraft, aber damit meine ich nicht in den Muskeln, sondern eher mentale Stärke. Einige Täter decken den Kopf ab, um das Opfer nicht sehen zu müssen. Oft haben sie eine persönliche Beziehung zu der betreffenden Person. Auch wenn diese bereits tot ist, braucht man starke Nerven, um einen Kopf vom Rumpf zu trennen.«
Karin
Weitere Kostenlose Bücher